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Was bedeutet der neue Digital Markets Act (DMA) für Unternehmen?

12. October 2022

Jetzt steht es fest: Der mit großer Spannung erwartete Digital Markets Act tritt am 01. November 2022 in Kraft. Der Digital Markets Act, deutsch „Gesetz über digitale Märkte“, kurz „DMA“ (verfügbar hier), soll insbesondere die Tech-Giganten regulieren und auf diese Weise für faire Wettbewerbsverhältnisse in der Digitalwirtschaft sorgen.

Der DMA wird aufgrund von Übergangsregeln seine volle Wirkung voraussichtlich im zweiten Quartal des Jahres 2023 entfalten. Deshalb sollten schon jetzt eine Vielzahl von Geschäftsmodellen, Geschäftsbeziehungen und Verträgen überdacht und angepasst werden. Es ist damit zu rechnen, dass der DMA bereits in den nächsten Monaten beginnt, Wellen zu schlagen.

Unsere Praxisgruppe Kartell- und EU-Recht beantwortet die wichtigsten Fragen.

1.   Welchen Zweck verfolgt der DMA?

2.   Worauf sollten Unternehmen und Wirtschaftsverbände jetzt achten?

3.   An wen richtet sich der DMA?

4.   Welche Pflichten legt der DMA den Gatekeepern auf? 

5.   Wie werden die Pflichten aus dem DMA durchgesetzt?

1. Welchen Zweck verfolgt der DMA?

Zwar hatte die Europäische Kommission die großen Unternehmen der Digitalwirtschaft – namentlich Google/Alphabet, Amazon, Facebook/Meta, Apple und Microsoft – im letzten Jahrzehnt diversen kartellrechtlichen Untersuchungen unterzogen und zum Teil Rekordgeldbußen verhängt (die Geldbuße im Falle Google Shopping betrug immerhin EUR 2,42 Mrd., siehe hier).

Jedoch herrschte auf Seiten der Kartellbehörden wachsende Unzufriedenheit. Die vorhandenen Kontrollinstrumente erwiesen sich immer mehr als durchsetzungsschwach, wenn es um die sich schnell weiterentwickelnde Digitalwirtschaft ging.

Bisher konnten die Kartellbehörden dem Erstarken einzelner Marktteilnehmer zulasten des Wettbewerbs, sodass ein Oligopol oder sogar ein Monopol entsteht (sog. „Tipping“), nicht effektiv begegnen.

Groß sind nun die Erwartungen an den DMA, der auf die präventive Regulierung setzt. Ferner werden der Europäischen Kommission schlagkräftige Instrumente zur Durchsetzung der Pflichten aus dem DMA eingeräumt (siehe Frage 5).

 2. Worauf sollten Unternehmen und Wirtschaftsverbände jetzt achten? 

Der DMA ist nicht nur für die voraussichtlichen „Gatekeeper“ Google/Alphabet, Amazon, Facebook/Meta, Apple, Microsoft und ähnliche Unternehmen relevant. Auch andere Unternehmen sollten ihre Zusammenarbeit mit potenziellen Gatekeepern überdenken. Aus dem neuen Pflichtenkatalog ergeben sich Chancen für neue Geschäftsmodelle und die Neugestaltung von Geschäftsbeziehungen und Verträgen (siehe Frage 4).

Die Europäische Kommission wird in den kommenden Wochen und Monaten ihre Tätigkeiten aufnehmen. Sie wird sich voraussichtlich zunächst darauf konzentrieren, bestimmte Unternehmen als Gatekeeper zu definieren (siehe Frage 3).

Unternehmen, die mit potenziellen Gatekeepern Geschäfte machen, könnten von der Europäischen Kommission Auskunftsersuchen erhalten (siehe Frage 5). Solche Auskunftsersuchen können sich auch an Wirtschaftsverbände richten. Die Beantwortung der Fragebögen der Europäischen Kommission ist verpflichtend.

Abzuwarten bleibt, wie die Europäische Kommission mit bereits laufenden kartellrechtlichen Untersuchungen gegen potenzielle Gatekeeper fortfahren wird. Solange keine Maßnahmen auf den DMA gestützt werden, besteht für die Europäische Kommission und die nationalen Wettbewerbsbehörden kein Anlass, die Verfahren fallenzulassen.

3. An wen richtet sich der DMA?  

Adressaten des DMA sind die sogenannten „Gatekeeper“ (deutsch: „Torwächter“). Dabei handelt es sich um die Betreiber „zentraler Plattformdienste“, die eine besondere Größe und Marktposition erreichen.

Zentrale Plattformdienste sind: Online-Vermittlungsdienste (z.B. die App Stores von Google und Apple und Amazon Marketplace), Online-Suchmaschinen, Online-Dienste sozialer Netzwerke (z.B. Facebook), Video-Sharing-Plattform-Dienste (z.B. YouTube/Google), nummernabhängige interpersonelle Kommunikationsdienste (z.B. WhatsApp), Betriebssysteme, Cloud-Computing-Dienste, Werbedienste, Webbrowser und virtuelle Assistenten (z.B. Apples Siri-Assistent)

Die Gatekeeper-Eigenschaft muss von der Europäischen Kommission in einem Verfahren zunächst in einem Benennungsbeschluss festgestellt werden. Der Gatekeeper muss

  • erhebliche Auswirkungen auf den Binnenmarkt haben,
  • einen zentralen Plattformdienst zur Verfügung stellen, der gewerblichen Nutzern als wichtiges Zugangstor zu Endnutzern dient, und
  • hinsichtlich seiner Tätigkeit eine gefestigte und dauerhafte Position innehaben oder es ist absehbar, dass eine solche Position in naher Zukunft erlangt wird.

Die Gatekeeper-Eigenschaft wird vermutet, wenn ein Unternehmen entweder einen europäischen Jahresumsatz von mindestens EUR 7,5 Mrd. oder eine Marktkapitalisierung von mindestens EUR 75 Mrd. erzielt, die Dienste mindestens 45 Mio. monatlich aktiven Endnutzern und 10.000 jährlich aktiven gewerblichen Nutzern bereitgestellt werden und diese vorgenannten Schwellenwerte in jedem der vergangenen drei Geschäftsjahre erreicht werden.

4. Welche Pflichten legt der DMA den Gatekeepern auf?

Die sich aus dem DMA ergebenden Pflichten sind umfangreich und zum Teil auch noch nicht abschließend bestimmt. Wir stellen Ihnen eine Auswahl der neuen Pflichten vor.

Der Pflichtenkatalog des DMA spiegelt die kartellrechtliche Entscheidungspraxis der Europäischen Kommission und der nationalen Wettbewerbsbehörden wider.

Beispiel: Gatekeeper dürfen ihren Geschäftspartnern nicht verbieten, ihre Produkte im Internet über andere Vertriebskanäle günstiger anzubieten (Art. 5 Abs. 3 DMA). Dies war bereits Gegenstand von Ermittlungen des Bundeskartellamts gegen Amazon Marketplace (Fallbericht hier).

Ferner greift der DMA Verhaltensweisen auf, welche derzeit Gegenstand von kartellrechtlichen Prüfverfahren sind. Spannend bleibt, wie es bei diesen bereits begonnenen Verfahren weitergehen wird.

Beispiel: Gatekeeper müssen gewerblichen Nutzern z.B. ermöglichen, dass sie einen zentralen Plattformdienst kostenlos für die Werbung nutzen und mit den Endnutzern Verträge schließen können – unabhängig, ob sie dazu den Plattformdienst nutzen (Art. 5 Abs. 4 DMA). Diese Frage betrifft ein am 16. Juni 2020 von der Europäischen Kommission eröffnetes Prüfverfahren gegen die Verpflichtung der Nutzung des In-App-Kaufmechanismus von Apple (Pressemeldung der Europäischen Kommission hier).

Manche Pflichten sind neu und müssen noch näher bestimmt werden, bevor sie Gatekeepern rechtsverbindlich auferlegt werden können.

Beispiel: Gatekeeper müssen für den Zugang gewerblicher Nutzer zu den Software-Anwendungen, Online-Suchmaschinen und Online-Diensten sozialer Netzwerke faire, zumutbare und diskriminierungsfreie allgemeine Zugangsbedingungen anwenden. Die Europäische Kommission soll prüfen, ob die veröffentlichten allgemeinen Zugangsbedingungen des Gatekeepers diesen Anforderungen entsprechen (Art. 6 Abs. 6 DMA).

Da sich die Geschäftsmodelle in der Digitalwirtschaft schnell wandeln, hat die Europäische Kommission die Möglichkeit, den Pflichtenkreis zu erweitern, wenn sie zuvor eine Marktuntersuchung gemäß Art. 19 DMA durchgeführt hat (Art. 12 DMA).

5. Wie werden die Pflichten aus dem DMA durchgesetzt?

Nur die Europäische Kommission ist zur Durchsetzung der Pflichten aus dem DMA befugt: Sie allein stellt fest, ob die Gatekeeper-Eigenschaft vorliegt (siehe Frage 3) und erlässt einen sogenannten Nichteinhaltungsbeschluss (Art. 29 DMA). Darin kann sie auch eine Geldbuße verhängen (Art. 30 DMA).

Damit die Europäische Kommission erfolgreich den DMA durchsetzen kann, räumt der DMA ihr verschiedene Ermittlungsbefugnisse (z.B. Auskunftsverlangen, Durchsuchungsbefugnisse) ein. Die Ermittlungsbefugnisse können sich nicht nur gegen (potenzielle) Gatekeeper richten. Auch andere Marktteilnehmer, zum Beispiel wichtige Lieferanten oder Abnehmer, können z.B. Adressaten eines Auskunftsverlangen sein.

Die Behörden der Mitgliedstaaten können die Europäische Kommission zwar in ihren Ermittlungen unterstützen. Sie können jedoch selbst keine Sanktionen aus dem DMA verhängen. Auch das nationale Kartellrecht wird nicht aufgehoben. Vielmehr finden in Deutschland die §§ 19, 19a und 20 GWB Anwendung, soweit das nationale Kartellrecht nicht dazu genutzt wird, dass die deutschen Kartellbehörden den Gatekeepern über den Pflichtenkatalog des DMA hinausgehende Verpflichtungen auferlegen. Das Kartellrecht spielt also überall dort noch eine Rolle, wo Verhaltenspflichten (noch) nicht im DMA reguliert sind.

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Jennifer Wagener
Jennifer Wagener

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