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Das neue deutsche Kartellrecht – Was jetzt für Unternehmen wichtig wird

14. Januar 2021

Am 14.01.2021 hat der Deutsche Bundestag wichtige Änderungen und Ergänzungen des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) beschlossen (hier), die nun kurzfristig in Kraft treten werden. Wir stellen Ihnen die wichtigsten Neuerungen vor. Sie sind danach sortiert, für welche Unternehmen sie besonders relevant sind:

1. Neues für Unternehmen, die wichtige Daten haben oder Zugang zu solchen Daten erhalten möchten

Was ist neu?

Inzwischen ist allgemein anerkannt: Wertvolle Daten können Unternehmen mindestens genauso viel Marktmacht geben wie „klassische“ Faktoren, z.B. hohe Marktanteile oder wichtige Infrastruktur. Die Regeln, die den Missbrauch besonderer Marktmacht in der „Old Economy“ verhindern sollten, werden nun auf die digitale Welt ausgeweitet:

  • Ein Unternehmen hat künftig auch dann eine marktbeherrschende Stellung, wenn es besonderen Zugang zu Daten hat. Auch Unternehmen, die bisher nicht als marktbeherrschend angesehen wurden, z.B. weil sie kleiner sind oder (noch) keine hohen Marktanteile haben, können dann unter die strengen Regeln der sog. Missbrauchsaufsicht fallen. Sie müssen sich dann besonders fair gegenüber Geschäftspartnern und Wettbewerbern verhalten.

Beispiel: Ein Unternehmen betreibt einen erfolgreichen Onlineshop für Babykleidung. Daher hat es Kundeninformationen vieler junger Familien und kann diesen „Datenschatz“ auch für den Vertrieb anderer Produkte nutzen, z.B. Kinderbücher oder Familienurlaube. Obwohl seine Anteile auf den Märkten für Babykleidung und Kinderbücher (noch) nicht sehr hoch sind, kann sein „Datenschatz“ dazu führen, dass eine Kartellbehörde es als marktbeherrschend ansehen würde. Dann dürfte es z.B. grundsätzlich keine Exklusivvereinbarungen mehr mit Lieferanten abschließen.

  • Wenn ein Unternehmen über wichtige Daten verfügt, die ihm einen Wettbewerbsvorteil verschaffen, kann es unter bestimmten Voraussetzungen verpflichtet sein, anderen Unternehmen Zugang zu diesen Daten zu gewähren. Das gilt ausdrücklich nicht nur für die Digitalwirtschaft sondern auch im nicht-digitalen Bereich.

Beispiel: Ein Unternehmen hat ein elektronisches BUS-System entwickelt, mit dem zahlreiche Funktionen eines Hauses gesteuert werden können (Smart Home). Wenn sein System erfolgreich ist, kann es verpflichtet sein, Herstellern anderer Produkte, wie z.B. elektronischer Rollläden, Zugang zum Quellcode des Systems zu gewähren.

  • Selbst, wenn ein Unternehmen nicht als marktbeherrschend angesehen werden kann, kann es trotzdem den besonderen Regeln der Missbrauchsaufsicht unterworfen sein. Für Unternehmen, von denen andere Unternehmen abhängig sind, gelten die gleichen Regeln wie für Marktbeherrscher. Ob von einem Unternehmen andere Unternehmen abhängig sind, wird in Zukunft auch danach beurteilt, welche Zugangsmöglichkeiten das Unternehmen zu Daten hat. Diese neue Regel wird insbesondere mit Blick auf das Internet of Things (IoT) eingeführt.

Beispiel: Ein Automobilhersteller baut in seine Fahrzeuge ein Datensystem ein, das Werkstätten nutzen, um Defekte zu identifizieren und zu reparieren. Ein Hersteller von Werkzeugen für die Kfz-Reparatur hat sich auf Produkte für die Fahrzeuge dieses Herstellers spezialisiert. Mit Einführung des Datensystems können Werkstätten diese Werkzeuge nur noch verwenden, wenn die Werkzeuge mit dem Datensystem kompatibel sind. Dies kann dazu führen, dass der Werkzeughersteller von dem Automobilhersteller abhängig ist und einen Anspruch gegen ihn haben kann, Zugangsinformationen für das Datensystem zu erhalten.

  • Das Bundeskartellamt kann Unternehmen mit „überragender marktübergreifender Bedeutung für den Wettbewerb“ (Superdominanz) künftig unter besondere Aufsicht stellen. Es kann solchen Unternehmen dann viele Verhaltensweisen untersagen, z.B. seine eigenen Angebote gegenüber denen von Wettbewerbern zu bevorzugen oder die Interoperabilität von Produkten oder Portabilität von Daten zu erschweren, um damit Wettbewerber zu behindern. Diese Vorschrift zielt Presseberichten zufolge vor allem auf die großen Internetkonzerne Google, Amazon und Facebook ab. So soll das Problem angegangen werden, dass diese Unternehmen marktübergreifend so mächtig sind, dass sie auch andere Märkte schnell unter ihre Kontrolle bringen können, zum Nachteil dort tätiger Wettbewerber und letztlich auch der Verbraucher.

Beispiel: Das Bundeskartellamt könnte feststellen, dass Amazon eine überragende marktübergreifende Bedeutung für den Wettbewerb zukommt. Dann könnte es Amazon untersagen, bei Suchen von Kunden die eigenen Angebote vorrangig gegenüber den Angeboten anderer Unternehmen darzustellen, die Amazon als Vertriebsplattform nutzen. Problematisch wäre es dann auch, wenn Amazon die Nutzung seiner Hörbuchplattform Audible davon abhängig machen würde, dass Kunden auch ein Amazon-Konto haben, oder davon, dass Kunden der Nutzung ihrer Audible-Daten auch für den Amazon-Webshop zustimmen.

Es kann dann auch problematisch sein, wenn Amazon die Nutzung seines Lesegeräts Kindle zum Lesen von eBooks anderer Anbieter ohne sachlichen Grund unmöglich machen würde. Schließlich wäre es Amazon auch nicht erlaubt, von Unternehmen, die Amazon als Vertriebsplattform nutzen, unangemessene Informationen oder Geschäftsbedingungen zu verlangen.

Amazon wäre es dann verboten, Daten eines Textilherstellers, der seine Produkte über Amazon als Plattform vertreibt, zu nutzen, um dessen erfolgreiche Produkte nachzumachen, selbst zu vertreiben und ihn beim Vertrieb seiner Produkte zu behindern. Dadurch könnte Amazon die Innovationen und Investitionen des Herstellers in unfairer Weise für sich nutzen und zugleich die eigene Marktmacht einsetzen, um ihn zu behindern.

Was bedeutet das für die Praxis?

Nicht nur Kartellbehörden, sondern auch Kunden, Lieferanten und Wettbewerber können jetzt wirksamer gegen Unternehmen vorgehen, die aufgrund eines besonderen Zugangs zu Daten eine starke Marktposition haben:

  • Als Argument in Verhandlungen über Konditionen können die neuen Vorschriften allemal von Nutzen sein. Unternehmen, denen der Zugang zu Datenschätzen eines Wettbewerbers helfen könnte, können nun selbstbewusster an diesen Wettbewerber herantreten und über den Zugang verhandeln.
  • Es bleibt aber abzuwarten, wie gut sich die neuen Vorschriften in Gerichts- und Behördenverfahren durchsetzen lassen. Sie sind vergleichsweise vage formuliert und daher stark auslegungsbedürftig.

Umgekehrt müssen sich jetzt viele Unternehmen fragen, ob sie künftig vorsichtiger im Markt agieren sollten, weil sie nun mit hoher Wahrscheinlichkeit den besonderen Rücksichtnahmepflichten unterliegen, die für marktbeherrschende Unternehmen und Unternehmen mit relativer Marktmacht, d.h. besondere Marktmacht gegenüber bestimmten Wettbewerbern, Zulieferern oder Abnehmern, gelten. Das gilt nicht nur für Unternehmen der Digitalwirtschaft, sondern auch für diejenigen aus der "Old Economy“. Sie sollten sich jetzt fragen:

  • Verfügen wir über Daten, die im Wettbewerb einen Vorteil bedeuten? Wie leicht können sich unsere Wettbewerber diese Daten beschaffen?
  • Könnten wir als Unternehmen angesehen werden, von dem andere Unternehmen abhängig sind? Ist unser Produkt z.B. ein „Must have“ für einen gut sortierten Händler?
  • Wie gehen wir ggf. mit unserer besonderen Verantwortung und der sich daraus ergebenden Risikolage um?
  • Welche Vorkehrungen treffen wir intern, damit wir uns im Rahmen des Zulässigen bewegen? Inwieweit müssen wir unsere bisherigen Verhandlungsstrategien und Konditionen anpassen?

2. Neues für Plattformen und ihre Nutzer

Auch für Betreiber von Plattformen und deren Nutzer ändert sich künftig Einiges:

Was ist neu?

  • Ob eine Plattform marktbeherrschend ist, wird in Zukunft insbesondere nach ihrer „Intermediationsmacht“ beurteilt. Damit meint der Gesetzgeber die Bedeutung der von ihr erbrachten Vermittlungsdienstleistungen für den Zugang zu Beschaffungs- und Absatzmärkten. Gleiches gilt für Netzwerke.

Beispiel: Eine Plattform hat sich auf Heimtierbedarf spezialisiert. Auf ihr verkaufen (oft kleinere) Händler Produkte an Heimtierhalter. Vergleichbare Produkte vertreibt auch der allgemeine Handel, die Plattform hat daher keinen besonders hohen Marktanteil. Die Händler, die sie nutzen, können aber in Zukunft argumentieren, dass sie von den Vermittlungsdienstleistungen der Plattform für den Zugang zur Kundengruppe der Heimtierhalter abhängig sind. Der Plattformbetreiber unterliegt dann der sog. Missbrauchsaufsicht und darf z.B. keine überhöhten Nutzungsentgelte fordern oder Exklusivität vereinbaren.

  • Das Bundeskartellamt kann in Zukunft frühzeitig eingreifen, bevor ein Unternehmen eine so starke Marktstellung erreicht, dass es dadurch einen Markt zum Kippen bringen kann („Tipping“). Dadurch soll verhindert werden, dass (insbesondere digitale) Märkte, die erfahrungsgemäß zu einer Monopolbildung neigen, von einem Unternehmen mit wettbewerbsfeindlichen Mitteln „erobert“ und monopolisiert werden.

Beispiel: Der Markt für Businessnetzwerke wird in Deutschland durch die Anbieter LinkedIn und Xing dominiert. Wenn ein Netzwerk an Attraktivität verliert, liegt es für die Nutzer nahe, in großer Zahl zu dem attraktiveren Anbieter zu wechseln, weshalb das erste Netzwerk noch unattraktiver wird und sich die Absetzbewegung zu dem anderen Anbieter weiter verstärkt, bis hin zu einem Monopol (Tipping). Wenn ein Anbieter versuchen würde, z.B. durch kartellrechtswidrige Exklusivbindungen wichtiger Content-Partner attraktiver zu werden und das Tipping in Gang zu setzen, könnte das Bundeskartellamt hiergegen einstweilige Maßnahmen anordnen und damit sehr viel schneller agieren, als bislang.

Was bedeutet das für die Praxis?

Nicht nur die Kartellbehörden, sondern auch Kunden, Lieferanten und Wettbewerber können jetzt leichter gegen (Vermittlungs-) Plattformen vorgehen, die sich unfair verhalten:

  • Es bleibt abzuwarten, wie gut sich die neuen Vorschriften in förmlichen Verfahren durchsetzen lassen. Sie sind vergleichsweise vage formuliert und daher stark auslegungsbedürftig.
  • Als Argument in Verhandlungen über Konditionen können die neuen Vorschriften aber allemal von Nutzen sein.

Umgekehrt müssen sich jetzt viele Betreiber von (auch kleineren) Plattformen fragen, ob sie möglicherweise künftig vorsichtiger im Markt agieren müssen, weil sie nun mit hoher Wahrscheinlichkeit den besonderen Rücksichtnahmepflichten unterliegen. Viele sollten sich jetzt fragen:

  • Könnten wir als Unternehmen angesehen werden, von dem andere Unternehmen abhängig sind? Sind unsere Vermittlungsleistungen besonders wichtig für unsere Nutzer?
  • Wie gehen wir ggf. mit unserer besonderen Verantwortung und Risikolage um?
  • Welche Vorkehrungen treffen wir intern, damit wir uns im Rahmen des Zulässigen bewegen? Inwieweit müssen wir unsere bisherigen Verhandlungsstrategien und Konditionen anpassen?

3. Neues für Unternehmen, gegen die das Bundeskartellamt ermittelt (oder dies in Zukunft tun könnte) – also eigentlich für alle Unternehmen

Was ist neu?

Das Bundeskartellamt erhält zusätzliche Möglichkeiten, gegen Unternehmen vorzugehen:

  • Bei Auskunftsverlangen und Durchsuchungen haben betroffene Personen und Unternehmen zukünftig weitgehende Mitwirkungs- und Offenlegungspflichten. Wo es bisher hieß: „Sie haben das Recht zu schweigen!“ wird es künftig eher heißen: „Sie haben die Pflicht uns Rede und Antwort zu stehen!“. Führungskräfte und Mitarbeiter dürfen zwar weiterhin nicht zu einem Geständnis gezwungen werden. Sie können aber verpflichtet werden, allgemeine Fragen zu den Umständen der Vorwürfe zu beantworten, aus denen dann auf die Art und Weise des Kartellrechtsverstoßes geschlossen werden kann. Wer sich auf ein vermeintliches Schweigerecht beruft, riskiert dann leicht ein Bußgeld wegen Behinderung der Ermittlungen.
  • Das Aussageverweigerungsrecht entfällt vollständig, wenn das Bundeskartellamt gegenüber einer an einem Verstoß (angeblich) beteiligten Person eine sog. Nichtverfolgungszusage ausspricht. Diese garantiert der Person, dass ihr kein Bußgeld auferlegt wird. Das ist besonders gefährlich für das Unternehmen, das dann trotzdem noch bebußt werden kann.

Aber es gibt für Unternehmen auch gute Nachrichten:

  • Effiziente Compliance-Vorkehrungen im Unternehmen werden als mildernder Umstand bei der Bußgeldberechnung künftig zugunsten der Unternehmen berücksichtigt. Gute Compliance-Systeme lohnen sich also.
  • Das Kronzeugenprogramm, unter dem Unternehmen Bußgelder vermeiden oder eine deutliche Reduktion erhalten können, sowie Kriterien für die Bußgeldbemessung werden in das Gesetz aufgenommen. Bislang gab es lediglich entsprechende Leitlinien des Bundeskartellamts (sog. Bonusregelung und sog. Bußgeldleitlinien), an die aber die Gerichte bei der Überprüfung verhängter Bußgelder nicht gebunden waren. Unternehmen erhalten nun mehr Rechtssicherheit und einen größeren Anreiz, bei Kartellrechtsverstößen mit dem Bundeskartellamt zusammen zu arbeiten. Letztlich bleibt das aber wie bisher eine Abwägung aller Vor- und Nachteile im Einzelfall.

Was bedeutet das für die Praxis?

  • Kartellrechtliche Compliance-Vorkehrungen sollten darauf überprüft werden, ob sie (1) noch der Größe und den Tätigkeitsfeldern des Unternehmens angemessen sind, (2) dem „state of the art“ entsprechen und (3) ggf. angepasst werden sollten. Und wer noch keine hat, sollte prüfen, ob er darauf wirklich verzichten kann.
  • In Anbetracht der nun weitgehenden Mitwirkungs- und Offenlegungspflichten sollten Unternehmen möglichst zeitnah entsprechende interne Leitlinien schaffen/ergänzen und die relevanten Mitarbeiter für die neuen Vorgaben sensibilisieren, um Fehlverhalten bei Kartellermittlungen (und damit einhergehende Bußgeldrisiken) zu vermeiden.

4. Neues für Unternehmen, die Kooperationen mit anderen Unternehmen planen

Was ist neu?

Das Bundeskartellamt kann Kooperationen künftig ganz offiziell auch ohne förmliches Verfahren prüfen und den Unternehmen mitteilen, dass es diese für unbedenklich hält:

  • Schon bislang gab es die Praxis informeller Verfahren, in denen das Bundeskartellamt sog. Vorsitzendenschreiben an die Unternehmen sendete. In diesen Schreiben stand sinngemäß, dass das Bundeskartellamt derzeit keine Bedenken gegen das mitgeteilte Projekt hat und nicht beabsichtigt, ein Verfahren einzuleiten. So konnten Unternehmen trotz der Pflicht zur Selbsteinschätzung der kartellrechtlichen Zulässigkeit von Projekten größere Rechtssicherheit erlangen. Diese Vorgehensweise ist nun offiziell im Gesetz vorgesehen. Einen Anspruch auf eine Aussage der Behörde gibt es aber nach wie vor nicht.
  • Einen Anspruch auf formelle Entscheidung des Bundeskartellamts haben Unternehmen künftig im Fall geplanter Kooperationen mit Wettbewerbern, bei denen ein erhebliches rechtliches und wirtschaftliches Interesse an einer solchen Entscheidung besteht. Das Bundeskartellamt muss bei solchen Anfragen innerhalb von sechs Monaten entscheiden.

Was bedeutet das für die Praxis?

Für kooperationswillige Unternehmen, die besonders wichtige Projekte mit dem Bundeskartellamt abstimmen wollen, bedeuten die neuen Regelungen:

  • Sie haben mehr Rechtssicherheit, wenn die Behörde sich zu ihrem Projekt äußert.
  • Sie haben ausnahmsweise sogar einen Anspruch darauf, dass das Bundeskartellamt zu ihrem Projekt Stellung nimmt, wenn es sich um eine Kooperation mit Wettbewerbern handelt, bei der ein besonderes rechtliches und wirtschaftliches Interesse an einer Entscheidung vorliegt. Als Beispiele nennt der Gesetzgeber Kooperationen im Digitalbereich, die etwa der Realisierung von Netzwerkeffekten, der gemeinsamen Nutzung von Daten oder dem Aufbau von Plattformen im Bereich der Industrie 4.0 dienen können. Komplexe neue Rechtsfragen können sich aber auch im Bereich der „Old Economy“ stellen.

Beispiel: Mehrere mittelständische Hersteller desselben Produkts wollen eine Plattform gründen, über die der Fachhandel und Endkunden direkt die Produkte, aber auch technische Serviceleistungen bei Problemen beziehen können. Sie haben Sorge, dass anderenfalls der Großteil des Geschäfts über Amazon abgewickelt werden würde und sie von Amazon abhängig werden. Deswegen hat das Projekt für sie eine große wirtschaftliche Bedeutung.

  • Ein Anspruch auf Überprüfung besteht aber nicht in den häufig für Unternehmen besonders wichtigen Fällen der kartellrechtskonformen Gestaltung ihres (oft komplexen) Vertriebssystems. Orientierung durch das Bundeskartellamt wird es zu solchen Fragestellungen – wenn überhaupt – wie schon bislang nur in Ausnahmefällen geben.

5. Neues für Unternehmen, die an Transaktionen beteiligt sind, insbesondere Unternehmen kaufen, verkaufen oder mit anderen zusammen gründen möchten

Was ist neu?

Transaktionen (also Kauf und Verkauf von Unternehmen oder Teilen davon oder die Gründung von Gemeinschaftsunternehmen) unterliegen schon lange der Fusionskontrolle. Auch diese Regelungen wurden angepasst und führen zu Erleichterungen für die meisten Unternehmen:

  • Das Wichtigste zuerst: Die Umsatzschwellen, ab denen eine Transaktion vor ihrem Vollzug beim Bundeskartellamt angemeldet werden muss, werden deutlich erhöht. Während es bislang erforderlich war, dass zumindest ein an der Transaktion beteiligtes Unternehmen in Deutschland im letzten abgeschlossenen Geschäftsjahr Umsatzerlöse von mehr als 25 Mio. € und zumindest ein weiteres Unternehmen von mehr als 5 Mio. € erwirtschaftet haben mussten, werden diese Schwellen auf 50 Mio. € und 17,5 Mio. € heraufgesetzt.
  • Die Umsatzschwelle für die Annahme von Bagatellmärkten, auf denen Transaktionen generell nicht geprüft werden, wird von 15 Mio. € auf 20 Mio. € angehoben. Neu ist aber, dass die Umsätze auf den betroffenen Märkten addiert werden, sofern sich der Zusammenschluss auf mehreren Bagatellmärkten auswirkt.
  • Das Bundeskartellamt kann künftig Unternehmen durch Verfügung dazu verpflichten, Zusammenschlüsse mit anderen Unternehmen in einem bestimmten Wirtschaftszweig auch dann anzumelden, wenn die vorgenannten Umsatzschwellen nicht überschritten werden. Diese zusätzliche Befugnis ist aber an enge Voraussetzungen geknüpft.
  • Sonderregeln gibt es für Presseverlage (Absenken des Faktors für Presseumsätze) und für Zusammenschlüsse im Krankenhausbereich (befristete Ausnahmen von der Fusionskontrolle, insbesondere im Falle der Förderung aus dem Krankenhausstrukturfonds).

Was bedeutet das für die Praxis?

Für Unternehmen, die Transaktionen planen, heißt das:

  • Transaktionen, die bislang aufgrund der niedrigeren Schwellenwerte geradeso noch angemeldet werden mussten, können künftig ohne das aufwendige Procedere eines Fusionskontrollverfahrens beim Bundeskartellamt umgesetzt werden. Aber Vorsicht: Die Konzernumsätze der Beteiligten müssen korrekt berechnet und geprüft sein. Denn der Vollzug nicht angemeldeter, aber anmeldepflichtiger Transaktionen kann weiterhin mit Bußgeldern sanktioniert werden und führt zu (schwebender) Unwirksamkeit der Transaktion.
  • Die Möglichkeit des Bundeskartellamts, bestimmte Unternehmen per Verfügung zu verpflichten, Transaktionen auch unterhalb der generellen Umsatzschwellen anzumelden, wird aller Voraussicht nach vor allem Branchen betreffen, in denen sich der Wettbewerb regional abspielt und bei denen es ein Gefälle zwischen einem/mehreren großen Anbietern und deutlich kleineren Anbietern gibt. Die Regelung ist vor allem an die Entsorgungswirtschaft gerichtet, in der große Anbieter in der jüngeren Vergangenheit vermehrt kleinere lokal tätige Anbieter erworben haben. Weitere Branchen, in denen diese Neuregelung aus unserer Sicht Relevanz entfalten könnte, sind die Bereiche Baustoffe, Bauwirtschaft und Einzelhandel.

6. Neues für Verbände

Was ist neu?

Speziell für Verbände gibt es neben den Änderungen, die für Ihre Mitglieder wichtig sind, nur eine Änderung, die es aber in sich hat:

  • Zukünftig können gegen Unternehmensvereinigungen (insbesondere Wirtschaftsverbände) Geldbußen verhängt werden, die sich nicht – wie sonst im deutschen Recht – an dem Umsatz der Unternehmensvereinigung bemessen, sondern an dem Umsatz, den die auf dem von den Kartellverstößen betroffenen Markt tätigen Mitgliedsunternehmen erzielt haben.
  • An Verstößen beteiligte Mitgliedsunternehmen können parallel mit einem eigenen Bußgeld sanktioniert werden, wobei der Umsatz dieser Unternehmen bei der Bemessung der beiden Bußgelder nicht doppelt berücksichtigt werden darf.
  • Kann die Unternehmensvereinigung das Bußgeld nicht zahlen, greift eine Ausfallhaftung der Mitgliedsunternehmen.

Was bedeutet das für die Praxis?

Für Verbände heißt das:

  • Kartellrechtliche Compliance-Vorkehrungen werden umso wichtiger und sollten darauf überprüft werden, ob sie (1) noch der Größe und den Tätigkeitsfeldern des Verbandes angemessen sind, (2) dem „state of the art“ entsprechen und (3) ggf. angepasst werden sollten.

Verbände, die noch keine ausreichenden Compliance-Vorkehrungen getroffen haben, sollten prüfen, ob sie darauf wirklich verzichten können.

 

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