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Der neue § 6 WindBG – keine UVP und Artenschutzprüfung mehr!

16. März 2023

Keine Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) und keine Prüfung des besonderen Artenschutzrechts (saP) mehr bei der Genehmigung von Windenergieanlagen in Windenergiegebieten! So lässt sich der Regelungsgehalt des neuen § 6 WindBG knapp auf den Punkt bringen. Wie genau aber die druckfrische Regelung in der Genehmigungspraxis umzusetzen ist, ob sie die erhoffte Beschleunigung oder aber noch mehr Rechtsunsicherheit bringt, darüber wird derzeit heftig diskutiert. Wir haben die wesentlichen Inhalte der Neuregelung für Sie zusammengefasst und zeigen erste Diskussionspunkte auf.

1. Hintergrund

Am 3. März 2023 beschloss der Bundestag § 6 Windenergieflächenbedarfsgesetz (WindBG) als Teil der Novelle des Raumordnungsgesetzes (ROG); die Regelung tritt mit Verkündung im Bundesgesetzblatt in Kraft. Sie bildet die auf die Windenergie an Land bezogene Umsetzung des Art. 6 der EU-Notfall-Verordnung zur Beschleunigung des EE-Ausbaus ((EU) 2022/2577). Entsprechende Regelungen wurden – ebenfalls im Rahmen der ROG-Novelle – auch für Windenergieanlagen auf See (§ 72a WindSeeG), Freiflächen-Photovoltaikanlagen (§ 14b UVPG) und bestimmte Stromnetze (§ 43m EnWG) geschaffen. Ziel des Art. 6 der Notfall-VO sowie dessen deutscher Umsetzungsvorschriften ist die deutliche Erleichterung und vor allem Beschleunigung von Genehmigungsverfahren für Anlagen zur Erzeugung erneuerbarer Energien (inkl. Netzanschluss und Speicher).

2. Anwendungsbereich und tatbestandliche Voraussetzungen

Die Regelung betrifft sowohl die erstmalige Genehmigung der Errichtung und des Betriebs einer Windenergieanlage sowie auch die Genehmigung einer Änderung deren Lage, Beschaffenheit oder Betriebs. Voraussetzung ist, dass sich der (geplante) Standort der betreffenden Windenergieanlage in einem Windenergiegebiet im Sinne des § 2 Nr. 1 WindBG befindet.

Neben der Lage in einem Windenergiegebiet, sind die Erleichterungen in Sachen UVP und Artenschutz an zwei weitere Voraussetzungen geknüpft: Zum einen muss bei der planerischen Ausweisung des Windenergiegebiets eine strategische Umweltprüfung (SUP) durchgeführt worden sein. Das ist bei Windenergiegebieten in der Regel unproblematisch, da bei der Ausweisung der hierzu zählenden Flächen seit dem Jahr 2004 eine SUP verpflichtend durchzuführen ist. Allenfalls in Bezug auf ältere Gebietsausweisungen könnte es an der erforderlichen Prüfung fehlen. Unerheblich ist dagegen die Prüfungstiefe der damaligen Umweltprüfung. Das Gesetz erfordert lediglich in formaler Hinsicht die Durchführung einer Umweltprüfung, ohne darüber hinaus auch materielle Anforderungen an diese Durchführung zu stellen. Ob und wie intensiv etwa das Artenschutzrecht bei Planausweisung geprüft wurde, ist daher für die Wirkung des § 6 WindBG nicht von Bedeutung.

Zum anderen darf das Windenergiegebiet nicht in einem Natura-2000-Gebiet, einem Naturschutzgebiet oder einem Nationalpark liegen. Insoweit geht § 6 WindBG über Art. 6 der Notfall-VO hinaus, der eine entsprechende Beschränkung nicht kennt. Der deutsche Gesetzgeber ist hier also strenger. Hintergrund dieser Einschränkung sind die im Rahmen des derzeit laufenden Verfahrens zur Änderung der Erneuerbaren-Energien-Richtlinie (EE-RL) diskutierten „go-to“-Gebiete, die auf eben diesen Gebieten ausgeschlossen sein sollen. § 6 WindBG schielt folglich insoweit bereits auf die Umsetzung der entsprechenden Richtlinienvorgaben. Ob und wenn ja, wie die ebenfalls viel diskutierten, aber keinen Teil der Notfall-Verordnung, sondern des laufenden Verfahrens zur EE-RL bildenden „go-to“-Gebiete aber am Ende tatsächlich kommen, bleibt abzuwarten und spielt für den § 6 WindBG aktuell auch keine Rolle.

3. Keine UVP, keine saP

Bei Vorliegen der genannten Voraussetzungen ist gemäß § 6 Abs. 1 S. 1 WindBG keine UVP (auch keine UVP-Vorprüfung) und keine saP auf Genehmigungsebene durchzuführen. Beide Prüfungen sind mit einem erheblichem Prüfaufwand verbunden, sodass deren Wegfall ein entsprechendes Beschleunigungspotenzial bedeutet.

In Bezug auf das Artenschutzrecht liegt hierin eine auf den Anwendungsbereich der Norm beschränkte Modifikation des materiellen Artenschutzrechts. Auch wenn keine Artenschutzprüfung mehr durchzuführen ist, kann es dennoch zur Anordnung von Minderungs- bzw. Schutzmaßnahmen oder Zahlungen in Artenhilfsprogramme kommen (siehe dazu sogleich unter 4). Auch hierüber darf es aber nicht zu einer verkappten Prüfung des Artenschutzrechts kommen. Das würde im Widerspruch zu der insoweit klaren Aussage des § 6 Abs. 1 S. 1 WindBG stehen.

4. Minderungsmaßnahmen und Zahlungen

Zwar bedarf es keiner Artenschutzprüfung; die Genehmigungsbehörde hat aber auf Grundlage vorhandener Daten geeignete und verhältnismäßige Minderungsmaßnahmen in den Windenergiegebieten anzuordnen, um die Einhaltung der Vorschriften des § 44 Abs. 1 BNatSchG zu gewährleisten (§ 6 Abs. 1 S. 3 WindBG). Soweit keine geeigneten und verhältnismäßigen Maßnahmen verfügbar sind oder Daten nicht vorhanden sind, hat der Betreiber eine Zahlung in Geld zu leisten (§ 6 Abs. 1 S. 5 WindBG). Der Erteilung einer Ausnahme bedarf es in keinem Fall. Das bedeutet: Die Lösung etwaiger, auf Grundlage vorhandener Daten festgestellter Konflikte mit Tierarten erfolgt mittels Minderungsmaßnahmen und Zahlung. Das Artenschutzrecht kann einer Genehmigungserteilung in ausgewiesenen Windenergiegebieten folglich nicht entgegenstehen.

Vereinfacht dargestellt stellt sich das Zusammenspiel von Daten, Maßnahmen und Zahlung wie folgt dar:

4. 1 Vorhandene Daten als Grundlage

4.1.1

Vorhandene Daten sind laut Gesetzesbegründung der Behörde bekannte, unter fachlichen Gesichtspunkten erhobene Daten zu den Artvorkommen. Das können u. a. Daten aus behördlichen Datenbanken, behördlichen Katastern, aber auch vorhandene und nach vergleichbarem Standard erhobene Daten Dritter sein. Kartierungen durch den Vorhabenträger – so heißt es ausdrücklich – sind nicht erforderlich.

Eine freiwillige Kartierung durch den Vorhabenträger dürfte aber weiterhin möglich sein. Auch vom Vorhabenträger erhobene Daten sind mit Weiterleitung an die Behörde bei dieser „vorhanden“ und bei üblicher Erstellung durch Fachgutachter im Grundsatz auch hinsichtlich ihres fachlichen Standards nicht zu beanstanden. Ob es aber im Einzelfall sinnvoll ist, den rechtlich nicht mehr erforderlichen Kartier-Aufwand auf sich zu nehmen (regelmäßig Zeitbedarf von 1 Jahr, Kosten für Gutachtenerstellung), kann nicht pauschal beantwortet werden. Vorteilhaft könnten sie ggf. dann sein, wenn behördenseitig keinerlei Daten vorhanden sind oder Grund zur Annahme besteht, dass eine Kartierung zu – aus Vorhabensicht – deutlich günstigeren Ergebnissen käme. Festzuhalten bleibt aber: nach der gesetzlichen Konzeption bedarf es keiner Kartierung.

4.1.2

In qualitativer Hinsicht müssen die Daten eine ausreichende räumliche Genauigkeit aufweisen und dürfen zum Zeitpunkt der Genehmigungsentscheidung nicht älter als fünf Jahre sein (§ 6 Abs. 1 S. 3 WindBG). Im Gegensatz zur konkret nach Jahren geforderten Aktualität der Daten, ist die Anforderung der „ausreichenden räumlichen Genauigkeit“ unbestimmt und somit eine potenzielle Quelle für Rechtsunsicherheit. In jedem Fall ist hierbei der Zweck der Daten – Anordnung von Minderungsmaßnahmen – in den Fokus zu stellen.

4.2 Die Anordnung geeigneter und verhältnismäßiger Maßnahmen

Liegen den soeben dargestellten Anforderungen entsprechende Daten vor, hat die Behörde auf Grundlage dieser Daten zunächst zu prüfen, ob Minderungsmaßnahmen erforderlich sind. Ist das nicht der Fall, bedarf es weder entsprechender Maßnahmen noch einer Zahlung. Andernfalls sind geeignete und verhältnismäßige Minderungsmaßnahmen anzuordnen. Fehlt es an geeigneten und/oder verhältnismäßigen Maßnahmen, so ist eine Zahlung zu leisten.

4.2.1

Minderungsmaßnahmen bedarf es nach § 6 Abs. 1 S. 3 WindBG, um die Einhaltung der Vorschriften des § 44 Abs. 1 BNatSchG zu gewährleisten. Die Gesetzesbegründung spricht insoweit davon, dass die Maßnahmen erforderlich sein müssen. Bisher waren Minderungs- bzw. Schutzmaßnahmen erst dann erforderlich, wenn eine rechtlich relevante Beeinträchtigung in Form eines Verbotsverstoßes (z. B. ein signifikant erhöhtes Tötungsrisiko) vorlag. Die Maßnahme diente dann der Absenkung dieser Beeinträchtigungen bzw. dieses Risikos auf ein nicht mehr relevantes Maß. Die Feststellung eines Verbotsverstoßes erfordert aber eine artenschutzrechtliche Prüfung und somit einen Vorgang, dessen Durchführung im Widerspruch zu § 6 Abs. 1 S. 1 WindBG stehen würde.

Zur Beantwortung der Frage der Erforderlichkeit von Minderungsmaßnahmen muss es daher bereits ausreichend sein, wenn sich auf Grundlage vorhandener Daten erkennen lässt, ob vor Ort Arten vorkommen, die generell durch den Betrieb und/oder die Errichtung einer Windenergieanlage beeinträchtigt werden können (z. B. windenergiesensible Vogel- und Fledermausarten).

Sind weitergehende Informationen, etwa in Form durchgeführter Habitatpotenzial- oder Raumnutzungsanalysen, vorhanden, also Teil der Entscheidungsgrundlage „vorhandene Daten“, dürften auch diese heranziehbar sein. Die Durchführung einer Habitatpotenzial- oder Raumnutzungsanalysen durch den Vorhabenträger kann jedoch von der Behörde nicht gefordert werden. Das würde im Widerspruch zu § 6 Abs. 1 S. 1 WindBG stehen (keine Artenschutzprüfung). Möglich erscheint dagegen, dass der Vorhabenträger freiwillig entsprechende Prüfungen durchführen und zur Klärung der Erforderlichkeit der Minderungsmaßnahmen ins Genehmigungsverfahren einspeisen kann, wenn er sich davon einen Vorteil verspricht. Schließlich – und das ist im Rahmen der Diskussionen um § 6 WindBG generell zu berücksichtigen – soll die Neuregelung zu keiner Verschlechterung gegenüber der bisherigen Rechtslage führen.

4.2.2

Die Eignung der Maßnahmen meint nichts anderes als deren fachliche Eignung zur Gewährleistung der Einhaltung der Verbote des § 44 Abs. 1 BNatSchG. In Bezug auf Fledermäuse konkretisiert der Gesetzgeber dies direkt in § 6 Abs. 1 S. 4 WindBG in Form einer Abregelung der Windenergieanlage in Verbindung mit einem zweijährigen Monitoring.

In Bezug auf kollisionsgefährdete Brutvogelarten wird in der Gesetzesbegründung auf die Auflistung von Schutzmaßnahmen in Anlage 1 Abschnitt 2 BNatSchG verwiesen; im Übrigen (andere Verbote und/oder andere Tierarten) sei auf die fachwissenschaftlich etablierten Maßnahmen zurückzugreifen.

4.2.3

Für die Verhältnismäßigkeit von Maßnahmen, die betriebsbedingte Gefahren von Windenergieanlagen adressieren (z. B. Kollision), verweist die Gesetzesbegründung auf die Zumutbarkeitsschwelle des § 45b Abs. 6 S. 2 BNatSchG (Unzumutbarkeit bei Verringerung des Jahresenergieertrags um 8 bzw. 6 Prozent). Zusätzlich sind etwaige Maßnahmen zur Gewährleistung der Einhaltung anderer Verbote (z. B. Störungsverbot) sowie zur Minderung errichtungsbedingter Beeinträchtigungen zu berücksichtigen. Hierzu schlägt die Gesetzesbegründung einen Zumutbarkeits-Aufschlag in der Größenordnung von 600 €/MW/Jahr vor. Es findet somit eine rein wirtschaftliche Betrachtung der Zumutbarkeit anhand einer Berechnung auf Grundlage der Anlage 2 des BNatSchG statt.

Folge einer festgestellten Unverhältnismäßigkeit ist die Pflicht zur Leistung einer Zahlung (siehe sogleich). Unklar bleibt aber, ob etwa unverhältnismäßige Abschaltmaßnahmen zusätzlich noch bis zur Grenze der Zumutbarkeit anzuordnen sind (Abschaltung + Zahlung) oder gänzlich entfallen (nur Zahlung). Weder dem Gesetz noch dessen Begründung kann hierzu eine eindeutige Aussage entnommen werden.

4.3 Zahlung

Soweit Maßnahmen erforderlich sind, aber keine geeigneten und verhältnismäßigen Maßnahmen zur Verfügung stehen, oder aber Daten (max. 5 Jahre alt, ausreichende räumliche Genauigkeit) gar nicht vorhanden sind, hat der Betreiber eine Zahlung in Geld zu leisten (§ 6 Abs. 1 S. 5 WindBG).

4.3.1

Die Zahlung ist ein während der Betriebsdauer der Windenergieanlage jährlich an den Bund zu leistender Betrag (§ 6 Abs. 1 S. 6 WindBG). Deren Höhe differenziert der Gesetzgeber wie folgt:

  • 450 Euro je Megawatt installierter Leistung, sofern Schutzmaßnahmen für Vögel angeordnet werden, die die Abregelung von Windenergieanlagen betreffen oder Schutzmaßnahmen, deren Investitionskosten höher als 17.000 Euro je Megawatt liegen,
  • ansonsten 3 000 Euro je Megawatt installierter Leistung.

Die Höhe der Zahlung richtet sich u. a. danach, ob Abschaltmaßnahmen für Vögel angeordnet werden. Ein solches Nebeneinander von Zahlung und Abschaltmaßnahme kann sich in jedem Fall dann ergeben, wenn mehrere Tierarten (davon mindestens eine Vogelart) betroffen sind. Ebenso denkbar wäre es in der bereits erwähnten Konstellation der Unverhältnismäßigkeit von Abschaltungen. Das setzt jedoch voraus, dass man deren Anordnung bis zur Grenze der Zumutbarkeit (vergleichbar einer Art „Basisschutz“) zusätzlich zu der (infolge der Unverhältnismäßigkeit) in jedem Fall erforderlichen Zahlung als zulässig ansieht.

4.3.2

Im Fall einer 6 MW-Anlage mit einer Laufzeit von 20 Jahren bedeutet die Zahlung konkret folgendes:

  • Zahlung neben Abregelungen/Investitionskosten > 17.000 € pro MW:
    450 € x 6 x 20 = 54.000 €
  • Zahlung in allen anderen Fällen: 3.000 € x 6 x 20 = 360.000 €
  • Zudem: Schwelle Investitionskosten Schutzmaßnahmen: 17.000 € x 6 = 102.000 €

Im Falle der 54.000 € sind natürlich noch die mit der Abregelung einhergehenden Ertragseinbußen von max. 8 bzw. 6 Prozent des Jahresenergieertrags (siehe hierzu § 45b Abs. 6 S. 2 BNatSchG) bzw. die Investitionskosten zu berücksichtigen.

Die gezahlten Beträge werden vom Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz (BMU) bewirtschaftet und sind im Rahmen der mit der letzten BNatSchG-Novelle eingeführten Artenhilfsprogramme (§ 45d BNatSchG) einzusetzen (§ 6 Abs. 1 S. 9, 10 WindBG). Zur Regelung weiterer Einzelheiten in Bezug auf die Zahlung kann eine Rechtsverordnung durch das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) im Einvernehmen mit dem BMU erlassen werden (§ 6 Abs. 1 S. 11 WindBG).

5. Zeitliche Anwendbarkeit der Regelung

Eine Anwendung des § 6 WindBG in einem Genehmigungsverfahren setzt nach § 6 Abs. 2 S. 1 WindBG voraus, dass der betreffende Genehmigungsantrag bis zum Ablauf des 30. Juni 2024 gestellt wird. Verfahren, deren Durchführung bis zu diesem Stichtag beantragt wird, werden nach den Vorgaben des § 6 WindBG bearbeitet, unabhängig davon, wann sie abgeschlossen werden (§ 6 Abs. 2 S. 4 WindBG).

Erwähnenswert ist in diesem Zusammenhang auch, dass es auf den Zeitpunkt der Antragsstellung ankommt und nicht etwa auf die Vollständigkeit der Antragsunterlagen. Das bringt die Gesetzesbegründung unmissverständlich zum Ausdruck. Allerdings muss der Antragsteller dabei nachweisen, dass er das Grundstück, auf dem die Windenergieanlage errichtet werden soll, für die Errichtung und den Betrieb vertraglich gesichert hat (§ 6 Abs. 2 S. 2 WindBG). Ein Nachweis über die Sicherung der Abstandsflächen ist hierfür nicht erforderlich.

Zuletzt ist auch eine Anwendung in laufenden Verfahren möglich, deren Antragstellung vor Inkrafttreten des § 6 WindBG war. Der Antragsteller kann in entsprechenden Fällen die Anwendung des § 6 WindBG verlangen (§ 6 Abs. 2 S. 3 WindBG). Insoweit ist die Anwendung des im Übrigen zwingenden § 6 fakultativ. Da § 6 WindBG auch auf Änderungs-genehmigungsverfahren Anwendung findet, ist zudem eine Anwendung in Bezug auf Bestandsanlagen denkbar.

6. Fazit

Der Regelungsgehalt des auf Windenergiegebiete begrenzten § 6 WindBG ist beachtlich. Der Wegfall der UVP sowie der saP auf Genehmigungsebene bergen ein erhebliches Beschleunigungspotenzial. Verbleibende Unsicherheiten sowie insbesondere die stark von der bisherigen Praxis abweichenden Konsequenzen des Prüfausfalls in Bezug auf den Artenschutz (z. B. keine Kartierung, kein Erfordernis für Ausnahmeerteilung, Zahlung ggf. als alleiniges Mittel zur Konfliktbewältigung) und die gegenüber der BNatSchG-Novelle nun nochmals abgeänderte Rechtslage stellen die Rechtsanwendung allerdings vor Herausforderungen. Wichtig für bereits laufende und künftige Diskussionen ist, dass die neue Regelung zu keiner Verschlechterung gegenüber der bisherigen Rechtslage führen soll, was die Verfahrenserleichterung und -beschleunigung angeht.

Besonders spannend ist der gewählte Regelungsansatz zur Behandlung des Artenschutzrechts insofern, als er deutlich pauschaler ist, als es die Rechtsanwendung bisher gewohnt war. So kommt es mehr darauf an, ob relevante Arten vor Ort vorkommen, aber nicht mehr, wie und wo genau sie sich im Raum bewegen. Hierzu passt auch die Möglichkeit einer Zahlung in Artenhilfsprogramme (Programme, die dem Erhalt von Populationen dienen) als (alleiniges) Mittel zur Bewältigung etwaiger Konfliktsituationen. Das alles wirkt wie ein Schritt weg vom strengen individuenbezogenen hin zu einem mehr populationsbezogenen Ansatz beim Artenschutz. Diese Entwicklung sieht sich mit dem Ziel der artenschutzrechtlichen Vorgaben sowie des Artenschutzes insgesamt im Einklang, welches im Schutz von Arten und nicht im Schutz einzelner Individuen als solcher bzw. um ihrer selbst willen besteht. Der nächste Schritt in diese Richtung deutet sich bereits in Form des im Rahmen der Novellierung der EE-RL geplanten Konzepts der „go-to“-Gebiete an, bei dem die Minderungsmaßnahmen für spätere Projekte bereits auf Planungsebene festgelegt werden sollen.

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