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Entscheidung des VGH Kassel in Sachen Rechtmäßigkeit von städtebaulichen Erhaltungssatzungen (Milieuschutzsatzungen) der Stadt Frankfurt a.M.

08. März 2022

Der 3. Senat des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs hat mit Urteilen vom 03.03.2022 drei städtebauliche Erhaltungssatzungen (Milieuschutzsatzungen) der Stadt Frankfurt a.M. für rechtmäßig erachtet. Es handelt sich hierbei um die Gebiete Nordend-Mitte (Nr. 50) (Az.: 3 C 2655/19.N), Nordend-Süd (Nr. 56) (Az.: 3 C 2656/19.N) und Sachsenhausen-Nord (Nr. 55) (3 C 2658/19.N). Damit hat er die hiergegen gerichteten Normenkontrollanträge eines am Immobilienmarkt tätigen Unternehmens abgelehnt.

Worum geht es?

In den mittlerweile zahlreichen Gebieten, die von Milieuschutzsatzungen betroffen sind, müssen bestimmte bauliche Veränderungen von der Stadt genehmigt werden (präventives Verbot mit Erlaubnisvorbehalt). Hierzu zählen z.B. der Ausbau von Dachgeschossebenen, die Zusammenlegung von Wohnungen in größere Einheiten, der Anbau von Balkonen sowie Nutzungsänderungen (z.B. Umwandlung von Wohnraum in Büroraum). Das Ziel dieser Satzungen ist es, in den betreffenden Gebieten die Zusammensetzung der Wohnbevölkerung zu erhalten und die dort lebenden Menschen vor Verdrängung zu schützen. Auf diese Weise sollen sog. „Luxusmodernisierungen“ verhindert werden.

Genehmigungsfähig ist in der Regel ein „zeitgemäßer Ausstattungszustand einer durchschnittlichen Wohnung“. Die jeweilige Satzung gibt den Bauherren im Rahmen der Satzungsbegründung einen Kriterienkatalog für die Zulässigkeit und Nichtzulässigkeit baulicher Maßnahmen an die Hand. So sind in der Regel Nutzungsänderungen von Wohn- in Gewerbenutzung ebenso wenig zulässig wie die Schaffung oder Zusammenlegung einer Wohnung (auch durch Ausbau) mit mehr als 130 m² und Balkone, Dachterrassen und Wintergärten größer als 8 m². Die genannten Kriterien führen aber nur „in der Regel“ zu einer Veränderung der sozialen Struktur. Das bedeutet, dass dieser Kriterienkatalog in der Rechtswirklichkeit nicht als abschließende „Checkliste“ angewendet wird. Dies hat zur Konsequenz, dass ein sehr großer Anteil der beantragten Genehmigungen versagt wird, selbst wenn die im Kriterienkatalog genannten Punkte eingehalten werden. Architekten berichten, dass neun von zehn Anträgen versagt werden (Quelle: „Mieterschutz behindert Wohnungsbau“ von Rainer Schulze, Frankfurter Allgemeine Zeitung, 02.03.3022). Architekten und Bauherren bemängeln die fehlende Transparenz des Kriterienkatalogs für eine genehmigungsfähige Planung.    

Welche Erwägungen hat der VGH Kassel angestellt?

Der VGH Kassel hat die Normenkontrollanträge gegen die Erhaltungssatzungen abgelehnt, die von einem am Immobilienmarkt tätigen Unternehmen gestellt wurden. Geprüft wurde die formelle und materielle Rechtmäßigkeit, also die Vereinbarung der städtischen Satzungen mit geltendem Recht. Nach dem VGH Kassel habe die Stadt Frankfurt die für den Erlass einer derartigen Satzung geforderten besonderen städtebaulichen Gründe durch die von ihr eingeholten gutachterlichen Aussagen hinreichend belegt. Die Grundsätze der Erforderlichkeit und der Verhältnismäßigkeit seien beachtet worden.

Nicht geprüft hat der VGH Kassel hingegen die jeweils notwendige Genehmigung baulicher Maßnahmen. Für diese muss eine Abwägung im Einzelfall erfolgen. Diese ist jedoch nicht Gegenstand des insoweit nur abstrakten Prüfungsumfangs eines Normenkontrollantrags. Gegen die individuelle, ablehnende Entscheidung der Genehmigungsbehörde muss separater Rechtsschutz durch Widerspruch und Verpflichtungsklage hinzugezogen werden.

Was folgt daraus?

Für die Praxis und die darauf ausgerichtete Rechtsberatung bedeutet das, dass trotz der Entscheidung des VGH Kassel nach wie vor Rechtsschutzmöglichkeiten gegen die Ablehnung einer Baugenehmigung auf Grundlage einer Milieuschutzsatzung gegeben sind. Zwar wird vor dem Hintergrund der Entscheidung des VGH Kassel ein Berufen auf die Rechtswidrigkeit der Satzung nur noch schwer möglich sein. Jedoch wurde die konkrete Rechtsanwendung der Genehmigungsbehörde im Rahmen der Entscheidung des VGH Kassel nicht geprüft. Unsere Beratungspraxis zeigt, dass aber gerade hier Ermessensfehler bei der Entscheidung der Genehmigungsbehörde vorkommen können. Diese Ermessensfehler können dazu führen, dass die Ablehnung der Genehmigung insgesamt rechtswidrig sein kann. Es ist also trotz der Entscheidung des VGH Kassel unbedingt zu empfehlen, behördliche Entscheidungen in diesem Bereich im Zweifel anwaltlich prüfen zu lassen oder bereits im Vorfeld von Bauanträgen, Bauvoranfragen oder städtebaulichen Planungen Rechtsrat einzuholen.

Bei Fragen zu diesem Thema stehen Ihnen an unserem Frankfurter Standort die Rechtsanwälte Prof. Dr. Stefan Pützenbacher und Oliver Havers  gerne zur Verfügung.

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Ansprechpartnerin für Medienanfragen

Jennifer Wagener
Jennifer Wagener

Leitung Marketing, Business Development & Kommunikation

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