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Praxisinfo Arbeitsrecht: Neues zum Hinweisgeberschutzgesetz bzw. zur EU-Whistleblower-Richtlinie

16. Mai 2022

Am 13. April hat die Bundesregierung einen neuen Entwurf für das deutsche Hinweisgeberschutzgesetz vorgelegt. In unserer neuen Praxisinfo fassen wir die wichtigsten Aspekte des Referentenentwurfs für Sie zusammen und zeigen auf, worauf sich Arbeitgeber heute bereits vorbereiten sollten.

I. Rechtlicher Hintergrund

Die zweijährige Umsetzungsfrist für Mitgliedsstaaten zur Umsetzung der EU-Whistleblower-Richtlinie ist am 17.12.2021 abgelaufen. Der deutsche Referentenentwurf aus dem Jahr 2020 fand jedoch keine parlamentarische Mehrheit. Derzeit läuft ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Deutschland, weshalb es in der Verantwortung der neuen Regierung liegt ein deutsches Hinweisgeberschutzgesetz (HinSchG) zu schaffen

II. Überblick

Ziel ist die effektive Durchsetzung des Unionsrechts durch eine europaweite Stärkung des individuellen Schutzes von Whistleblowern und die Verbesserung der institutionellen Rahmenbedingungen. Eine solche Regelung wird als notwendig erachtet, da das derzeitig noch zu geringe Schutzniveau ein wesentliches Hindernis für die freiwillige Meldung von Verstößen gegen europäisches sowie nationales Recht darstellt. Es soll ein umfassender anti-diskriminierungsrechtlicher Whistleblower-Schutz vor Repressalien (Kündigung, Diskriminierung, Versagung einer Beförderung, Disziplinarmaßnahmen) geschaffen werden, indem juristische Personen des privaten und des öffentlichen Sektors verpflichtet werden interne und unabhängige Meldekanäle zur Entgegennahme von Meldungen und zur Weiterverfolgung einzurichten.

III. Anwendungsbereich

Der persönliche Anwendungsbereich umfasst alle Hinweisgeber, die im Zusammenhang mit ihrer beruflichen oder dienstlichen Tätigkeit Informationen über Verstöße erlangt haben. Dazu sollen auch Praktikanten, Freiwillige, Selbstständige und Arbeitnehmer, deren Arbeitsverhältnis bereits beendet ist oder noch gar nicht begonnen hat, zählen. Als subjektive Schutzvoraussetzung genügt es, wenn der Hinweisgeber einen hinreichenden Grund zur Annahme gehabt hat, dass die gemeldeten Informationen der   Wahrheit entsprachen und in den Anwendungsbereich der Richtlinie fielen oder er muss zumindest gutgläubig einem Irrtum unterlegen haben.

Sachlich geht es um jegliche Meldungen über Verstöße gegen nationale und europarechtliche straf- und bußgeldrechtliche Normen. 

IV. Einrichtungspflicht von Meldeeinrichtungen

Alle Unternehmen, die sog. Beschäftigungsgeber und auch Dienststellen, werden zur Einrichtung eines unabhängigen Hinweisgebersystems verpflichtet. Diese Verpflichtung gilt jedoch nicht für die Unternehmen, die weniger als 50 Arbeitnehmer beschäftigen und in einer Gemeinde mit weniger als 10.000 Einwohnern ansässig sind. Der deutsche Referentenentwurf sieht sogar eine Ausweitung auf bestimmte Unternehmen im Anwendungsbereich des WPHG, BörsG, KWG und VAG vor. Für Beschäftigungsgeber mit bis zu 249 Mitarbeitern sollen diese Anforderungen aber erst am 17. Dezember 2023 in Kraft treten. Nichtsdestotrotz sollte bereits jetzt die Einrichtung solcher Meldekanäle geplant und umgesetzt werden.

Wie die konkrete Ausgestaltung einer solchen Meldeeinrichtung sein soll, ist nicht festgelegt. Vielmehr soll den Betrieben ein eigener Spielraum eingeräumt werden, diese in Abhängigkeit der eigenen Unternehmensstruktur festzulegen. Demzufolge kann es für kleine bis mittelständische Unternehmen die kostengünstigere und unkompliziertere Wahl sein auf externe Eingangskanäle zurückzugreifen. Solche sind beispielsweise externe Hotlines, mailboxbasierte Telefonsysteme, webbasierte Meldesysteme oder auch Ombudspersonen (i.d.R. externe Anwälte). Bei größeren Unternehmen empfiehlt sich dagegen die Einrichtung einer internen Hinweisgebereinrichtung oder eine Kombination aus interner und externer Meldeeinrichtung. Insbesondere bei internationalen Unternehmen gilt es in diesem Zusammenhang auch mögliche Sprachbarrieren durch z.B. dezentrale Hinweisgebereinrichtungen zu vermeiden, die sodann aber einheitlich untersucht werden müssen.
 
Neben der Verpflichtung zur Einrichtung der Hinweisgeberkanäle ist auch der Umgang mit den Meldungen geregelt. Der Eingang der Meldung muss innerhalb von 7 Tagen bestätigt werden und eine Rückmeldung über die Art und die Gründe der ergriffenen oder geplanten Folgemaßnahmen hat innerhalb von 3 Monaten ab Bestätigung der Meldung zu erfolgen. In Ausnahmefällen ist eine Verlängerung der 3-Monats-Frist auf maximal 6 Monate zulässig. Außerdem müssen sowohl die Meldung selbst als auch alle in Erfahrung gebrachten Informationen zu dem jeweiligen Sachverhalt festgehalten werden, um eine Überprüfung durch Dritte zu ermöglichen.

Als mögliche Folgemaßnahmen nennt die Hinweisgeberrichtlinie beispielhaft den Verweis an eine zuständige Stelle, den Abschluss des Verfahrens auf Grund des Mangels an Beweisen, die Einleitung von internen Untersuchungen oder die Befassung einer zuständigen Behörde.

Den Beschäftigungsgebern wird im Gegenzug die Möglichkeit eingeräumt gegen wissentlich falsche und rein denunzierende Meldungen und deren Hinweisgebern vorzugehen. Es ist jedoch ratsam, nur bei offensichtlichen Falschaussagen von dieser Möglichkeit Gebrauch zu machen und jeden Schritt wohlbesonnen abzuwägen.

1. Vertraulichkeitsgebot

Die Meldekanäle müssen so sicher konzipiert, eingerichtet und betrieben werden, dass die Vertraulichkeit der Identität der Hinweisgeber und Dritter, die in der Meldung erwähnt werden, gewahrt bleibt und unbefugten Mitarbeitern der Zugriff auf diese Kanäle verwahrt bleibt. Des Weiteren ist sicherzustellen, dass die Identität des Hinweisgebers ohne dessen ausdrückliche Zustimmung keinen anderen Personen gegenüber offengelegt wird als den befugte Mitarbeitern, die für die Entgegennahme von oder Folgemaßnahmen zuständig sind. Die mit dem Hinweisgebersystem betrauten Personen sollen über relevante Kenntnisse, Erfahrungen und Fähigkeiten verfügen, um dieses effektiv betreiben zu können.

Um dem Vertraulichkeitsgebot gerecht werden zu können sollte ein Datenschutzbeauftragter engagiert werden.

2. Offenlegung

Zudem ist die Offenlegung von betriebsinternen Informationen dann erlaubt, wenn nach einer Meldung und nach dem erfolgslosen Ablauf der 3-Monats-Frist keine Rückmeldung erfolgt ist. Eine Offenlegung ist darüber hinaus auch dann zulässig, wenn der Verstoß eine Gefahr für das öffentliche Interesse darstellen kann oder Repressalien zu befürchten sind oder lediglich geringe Aussichten bestehen, dass wirksam gegen den Verstoß vorgegangen wird.


Quelle Grafik: iWhistle

Bei Fragen zum Thema stehen Ihnen unsere Mitglieder der Praxisgruppe Arbeitsrecht gerne zur Verfügung.

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Ansprechpartnerin für Medienanfragen

Jennifer Wagener
Jennifer Wagener

Leitung Marketing, Business Development & Kommunikation

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