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Praxisinfo Arbeitsrecht: Homeoffice und Arbeitnehmerschutz

26. Januar 2021

Die Corona-Arbeitsschutzverordnung

Ziele

Die bisherigen Regelungen zum Arbeitsschutz (SARS-CoV-2-Arbeitsschutzregel – siehe Newsletter vom 11.09.2020) werden durch die Corona-Arbeitsschutzverordnung (Corona-ArbSchV) ab dem 27.01.2021 und befristet bis zum 15.03.2021 ergänzt. Der Gesetzgeber will mit der Verordnung das Infektionsrisiko mit SARS-CoV-2 reduzieren und die Gesundheit der Beschäftigten schützen. Maßgeblich geht es dem Gesetzgeber um Kontaktreduzierung und geeignetere Schutzmaßnahmen, wo Kontakte nicht vermieden werden können. Inhaltlich sieht die neue Verordnung folgendes vor:

Gefährdungsbeurteilung überprüfen und aktualisieren

Arbeitgeber sind verpflichtet ihre Gefährdungsbeurteilungen mit Blick auf die zusätzlich erforderlichen Maßnahmen des betrieblichen Infektionsschutzes zu überprüfen und zu aktualisieren (§ 2 Abs. 1 Corona-ArbSchV).

Kontaktreduzierung im Betrieb

Arbeitgeber müssen alle geeigneten technischen und organisatorischen Maßnahmen  treffen, um betriebsbedingte Personenkontakte zu reduzieren. Die gleichzeitige Nutzung von Räumen durch mehrere Personen ist auf das betriebsnotwendige Minimum zu reduzieren (§ 2 Abs. 2 Corona-ArbSchV).

Das Gleiche gilt für betriebsbedingte Zusammenkünfte mehrerer Personen. Diese sind nach Möglichkeit durch die Verwendung von Informationstechnologie zu ersetzen (§ 2 Abs. 3 Corona-ArbSchV).

Wenn mehrere Beschäftigte gleichzeitig Räume nutzen, dann müssen pro Person 10 m² zur Verfügung stehen. Sofern die auszuführenden Tätigkeiten dies nicht zulassen,  so hat der Arbeitgeber durch andere geeignete Schutzmaßnahmen (insbesondere Lüftungs- und Abtrennungsmaßnahmen) den gleichwertigen Schutz der Beschäftigten sicherzustellen (§ 2 Abs. 5 Corona-ArbSchV).

Beschäftigte sollen in Betrieben mit mehr als zehn Beschäftigten in möglichst kleine, feste Arbeitsgruppen eingeteilt werden. Diese Gruppen sollen möglichst keinen Kontakt untereinander haben. Zudem soll ein zeitversetztes Arbeiten ermöglicht werden, soweit die betrieblichen Gegebenheiten dies zulassen (§ 2 Abs. 6 Corona-ArbSchV).

Angebot im Homeoffice zu arbeiten

Arbeitgeber müssen ihren Beschäftigten im Falle von Büroarbeit oder vergleichbaren Tätigkeiten anbieten, diese Tätigkeiten in deren Wohnung auszuführen. Dies gilt nicht, wenn zwingende betriebsbedingte Gründe entgegenstehen (§ 2 Abs. 4 Corona-ArbSchV).  Welche Gründe im Sinne der Verordnung als zwingend angesehen werden können hat der Gesetzgeber weder in der Verordnung noch in der dazugehörigen Begründung definiert. Dies ist unglücklich und führt zu Rechtsunsicherheiten.  Einfache oder sogar dringende betriebliche Gründe dürften jedenfalls nicht ausreichen. Vermutlich ist erforderlich, dass die Anwesenheit des Beschäftigten im Betrieb unverzichtbar für die ordnungsgemäße Aufrechterhaltung des Geschäftsbetriebes ist.

Aus unserer Sicht sind folgende Tätigkeiten bzw. Gründe denkbar, die als zwingend im Sinne der Verordnung angesehen werden können:

  • Produktionsarbeitsplätze
  • Dienstleistungen (Wartung- und Reparatur, Hausmeister, Notdienste etc.)
  • Handel und Logistik
  • Datenschutz (insb. in hochsensiblen Bereichen, z.B. Gesundheitsdaten) kann im Homeoffice nicht eingehalten werden

Fehlende technische Einrichtungen und/oder Ausstattung für die Durchführung von Arbeiten im Homeoffice dürften einen zwingenden Grund darstellen, solange die Einrichtungen  / Ausstattungen vom Arbeitgeber nicht mit zumutbaren Anstrengungen beschafft und auch nicht durch eigene Arbeitsmittel der Beschäftigten ersetzt werden können.

Als (nicht rechtsverbindliche) Orientierung können die FAQ des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales genutzt werden.

Keine Pflicht des Beschäftigten

Die Verordnungsbegründung sieht vor, dass für die Beschäftigten keine Verpflichtung zur Annahme und Umsetzung des arbeitgeberseitigen Angebots besteht. Ohne die Zustimmung des Beschäftigten kann Homeoffice daher nicht eingeführt werden.

Homeoffice-Vereinbarung

Arbeitgeber sollten dokumentieren, dass sie ein Angebot zur Ausübung der Tätigkeit im Homeoffice unterbreitet haben. Auch die Fälle, in denen kein Angebot unterbreitet wird, sollten mit entsprechender Begründung dokumentiert werden. Die Verordnung verpflichtet nämlich den Arbeitgeber nach § 22 Abs. 1 ArbSchG auf Verlangen der zuständigen Behörde diese Gründe darzulegen. Die Bußgeldvorschriften des Arbeitsschutzgesetzes finden darüber hinaus ebenfalls Anwendung.

Mit den Beschäftigen, die das Angebot annehmen, sollte eine befristete Ergänzung zum Arbeitsvertrag oder in Betrieben mit Betriebsrat eine Betriebsvereinbarung abgeschlossen werden. Regelungsgegenstände sind hier u.a.:

  • Arbeitsort
  • Arbeitszeit und Zeiterfassung (Nutzung von Tools, Apps / im Zweifel händisch)
  • Anforderungen an Homeoffice-Arbeitsplatz (Verordnung macht keine Vorgabe einen Telearbeitsplatz nach § 2 Abs. 7 ArbStättV einzurichten)
  • Datenschutz
  • Kosten- bzw. Nutzungsentschädigung
  • Zutrittsrecht (kritisch)
  • Befristung, Beendigung und Widerruf des Homeoffice

Gerne unterstützt Sie die Praxisgruppe Arbeitsrecht bei der Erstellung von einzelvertraglichen bzw. kollektivrechtlichen Vereinbarungen.

Zum Kollektivarbeitsrecht sieht die Verordnung keine Vorgaben vor, sodass auf die allgemeinen betriebsverfassungsrechtlichen Vorgaben abzustellen ist:

Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats

  • §§ 90, 91 BetrVG bei Einführung von Homeoffice
  • § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG: Ordnung und Verhalten der Beschäftigten
  • § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG: Arbeitszeit
  • § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG: technische Einrichtung
  • § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG: Arbeitsschutz
  • § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG: Vergütung
  • §§ 95, 99 BetrVG: Bei Begründung und Beendigung der Arbeit im Homeoffice (nicht bei gelegentlicher Tätigkeit im Homeoffice)

Mund-Nasen-Schutz bereitstellen

Sofern technische oder organisatorische Schutzmaßnahmen nicht möglich oder hinreichend sind, der Mindestabstand von 1,5 Metern nicht eingehalten werden kann oder bei ausgeführten Tätigkeiten mit Gefährdung durch erhöhten Aerosolausstoß zu rechnen ist, muss der Arbeitgeber medizinische Gesichtsmasken, FFP2-Masken oder in der Anlage bezeichnete vergleichbare Atemschutzmasken zur Verfügung zu stellen (§ 3 Corona-ArbSchV). Die Kosten für die Masken sind alleine vom Arbeitgeber zu tragen.

Für Rückfragen steht Ihnen die Praxisgruppe Arbeitsrecht gerne zur Verfügung!

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Ansprechpartnerin für Medienanfragen

Jennifer Wagener
Jennifer Wagener

Leitung Marketing, Business Development & Kommunikation

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