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Das neue Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz – was sagt es und für wen gilt es?

11. März 2022

Im Juli 2021 hat der Gesetzgeber das neue Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz („LkSG“) verkündet – auch „Lieferkettengesetz“ genannt, das bereits 2023 in Kraft tritt. Der Gesetzgeber nimmt Großunternehmen in die Pflicht, dafür zu sorgen, dass grundlegende Menschenrechte und Umweltstandards entlang ihrer globalen Lieferketten gesichert werden. Wir geben einen Überblick, was das LkSG sagt und für wen es gilt. Zudem geben wir Ausblick auf den kürzlich veröffentlichten Entwurf der EU-Richtlinie über Nachhaltigkeitspflichten.

An wen richtet sich das LkSG unmittelbar?

Ab dem Jahr 2023 müssen Unternehmen, die in Deutschland über einen Hauptsitz oder eine Zweigniederlassung verfügen und über mindestens 3.000 Mitarbeiter beschäftigen, das LkSG berücksichtigen und umsetzen. Die Pflicht wird ab dem Jahr 2024 auf Unternehmen mit mindestens 1.000 Mitarbeitern in Deutschland erweitert.

Welche Rechtspositionen werden im LkSG geschützt?

Geschützt werden Menschenrechte, wie z.B. das Verbot von Kinderarbeit sowie das Beachten von Arbeitspausen für Mitarbeiter. Außerdem soll es nicht zu Diskriminierungen kommen, z.B. von Mitarbeitern aufgrund ihrer ethnischen Abstammung. Aber auch der Umweltschutz ist erfasst, z.B. durch das Verbot Quecksilber bei Produktionsverfahren einzusetzen und die Vermeidung von Trinkwasserverschmutzung bei Produktionsprozessen.

Was müssen die Adressaten des LkSG tun?

Die Sorgfaltspflichten großer Unternehmen für ihre Lieferketten weltweit sind abgestuft. Ihnen ist durch die Einführung eines Risikomanagements Rechnung zu tragen:

  • In ihrem eigenen Geschäftsbereich müssen Unternehmen sicherstellen, dass je nach Business und Gefahrenlage eine Risikoanalyse durchgeführt wird, z.B. für unterschiedliche Produktbereiche. Zum eigenen Geschäftsbereich können Standorte sowie kontrollierte Tochtergesellschaften im In- und Ausland zählen. Ausgehend von der Risikoanalyse müssen Präventionsmaßnahmen festgelegt werden, die insbesondere in einer Grundsatzerklärung festzuhalten sind. Außerdem muss dafür Sorge getragen werden, dass ein Beschwerdeverfahren eingerichtet wird, in dessen Rahmen sich Betroffene bei Menschenrechtsverletzungen an das Unternehmen wenden können. Darüber hinaus muss eine Dokumentation und Berichterstattung über die Schritte eingeführt werden.
  • Im Verhältnis zu ihren unmittelbaren Zulieferern bzw. ihren Vertragspartnern müssen die betroffenen Unternehmen potenzielle Risiken identifizieren und angemessene Präventionsmaßnahmen in die Wege leiten. Letzteres kann insbesondere in Form vertraglicher Zusicherungen geschehen, Menschenrechte ebenfalls zu beachten und in der Lieferkette angemessen zu adressieren. Diese sollen durch Vereinbarungen über Kontrollmechanismen (d.h. Audits) ergänzt werden, um die Beachtung der Vertragspflichten zu überprüfen.
  • Gegenüber mittelbaren Zulieferern besteht jedenfalls die Pflicht, im konkreten Verdachtsfall eine Risikoanalyse durchzuführen und geeignete Abhilfemaßnahmen zu definieren.

Ich bin unmittelbarer Zulieferer eines großen Unternehmens – womit muss ich rechnen?

Es ist davon auszugehen, dass große Unternehmen zeitnah ihre unmittelbaren Zulieferer kontaktieren und von ihnen vertragliche Zusicherungen fordern werden, Menschenrechte und den Umweltschutz zu beachten und ebenfalls entlang der Lieferkette angemessen zu adressieren. Denkbar ist z.B., dass sich unmittelbare Zulieferer dazu verpflichten, diese Pflichten ihrerseits vertraglich weiterzureichen. Darüber hinaus ist damit zu rechnen, dass sich unmittelbare Zulieferer ebenfalls zur Schulung ihrer Mitarbeiter sowie zur Durchführung von Kontrollmechanismen verpflichten müssen.

Und womit muss ich als mittelbarer Zulieferer rechnen?

Der Pflichtenkreis von mittelbaren Zulieferern wird in der Praxis im Wesentlichen davon abhängen, was große Unternehmen von ihren unmittelbaren Zulieferern fordern. Abhängig von der Risikoanalyse werden sie von ihren eigenen Kunden bzw. den unmittelbaren Zulieferern ebenfalls dazu aufgefordert werden, Menschenrechte und den Umweltschutz zu beachten und dies ggf. auch vertraglich zuzusichern.

Müssen Geschäftsbeziehungen bei Verletzung des LkSG ausgesetzt oder abgebrochen werden?

Das ist nicht das Ziel des Gesetzes. Das LkSG sieht vor, dass ein Abbruch von Geschäftsbeziehungen nur im Ausnahmefall geboten ist, nämlich dann, wenn schwerwiegende Verletzungen festgestellt und Maßnahmen zur Abstellung und Prävention nicht innerhalb einer angemessenen Frist erfolgreich durchgeführt werden konnten.

Was droht bei Verstößen?

Zuständige Behörde für die Durchsetzung des LkSG ist das Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA), das insbesondere Bußgelder gegen die Adressaten des Gesetzes verhängen kann. Außerdem drohen bei Verstößen Vergabesperren von bis zu drei Jahren durch die öffentliche Hand.

Was sollten Unternehmen konkret tun?

Die Geschäftsleitung von Unternehmen, die in den Anwendungsbereich des LkSG fallen, sollten insbesondere eine Risikoanalyse durchführen und darauf basierend angemessene Schritte und Forderungen an den eigenen Geschäftsbereich und an die Zulieferer stellen. Diese Maßnahmen sollten sie in einer Grundsatzerklärung zusammenfassen.

Auch damit es nicht zu unangemessenen Forderungen kommt, die von den Zulieferern nicht erfüllt werden können, bieten sich branchenübergreifende Lösungen an. Dies spricht das LkSG als angemessene Präventionsmaßnahme ausdrücklich an. Mehr zu kartellrechtskonformen Gestaltungsmöglichkeiten (hier).

Und was bedeutet der Richtlinien-Vorschlag der Europäischen Kommission für Unternehmen?

Am 23. Februar 2022 hat die Europäische Kommission ihren Vorschlag für eine Richtlinie über Nachhaltigkeitspflichten von Unternehmen veröffentlicht (abrufbar hier). Dieser begründet unter anderem auch Sorgfaltspflichten für Unternehmen entlang ihrer Wertschöpfungsketten. Die wichtigsten Unterschiede im Vergleich zum LkSG fassen wir hier für Sie zusammen:

Der Anwendungsbereich des Richtlinien-Vorschlags ist weiter. Erfasst sind danach auch Unternehmen mit deutlich weniger Beschäftigten:

  • EU-Unternehmen mit mehr als 500 Beschäftigten und einem weltweiten Nettoumsatz von mindestens EUR 150 Mio.,
  • andere EU-Unternehmen, die über mehr als 250 Beschäftigte und einen weltweiten Nettoumsatz von mindestens EUR 40 Mio. verfügen, von dem mindestens 50 % in bestimmten risikoreichen Branchen (z.B. Textilbranche, Landwirtschaft) erzielt wurden,
  • in der EU tätige Unternehmen aus Drittstaaten, die Umsätze in vorgenannten Höhen innerhalb der EU erwirtschaften.

Darüber hinaus sieht der Vorschlag keine Unterscheidung und Abstufung zwischen eigenem Geschäftsbereich sowie unmittelbaren und mittelbaren Zulieferern vor. Vielmehr sollen nach dem Vorschlag Sorgfaltspflichten in Bezug auf das Unternehmen selbst, Tochtergesellschaften und Geschäftspartnern, mit denen eine etablierte Geschäftsbeziehung besteht, begründet werden. Somit könnten sich die Pflichten auf die gesamte Lieferkette beziehen.

Deutlich wird auch der Fokus der Europäischen Kommission auf Erreichung der Klimaziele. So sollen große Unternehmen (<500 Beschäftigte) verpflichtet werden, einen Plan festzulegen, um sicherzustellen, dass ihre Geschäftsstrategie mit der Begrenzung der Erderwärmung nach dem Übereinkommen von Paris auf 1,5 °C vereinbar ist.

Außerdem nimmt der Richtlinien-Vorschlag die Geschäftsleitungen stärker in die Verantwortung. Diese sollen bei der Erfüllung ihrer Treuepflichten Folgen der Geschäftstätigkeit für Menschenrechte, Klimawandel und Umwelt berücksichtigen müssen. Somit sollen Geschäftsleitungen nicht nur Entscheidungen im Sinne der kurzfristigen Gewinnmaximierung, sondern auch im Sinne langfristiger Nachhaltigkeitsziele treffen können.

Schließlich sieht der Richtlinien-Vorschlag einen eigenen zivilrechtlichen Haftungstatbestand vor. Dieser soll geschädigten Personen bei Vorliegen bestimmter Voraussetzungen einen Anspruch auf Schadensersatz verschaffen, den diese vor den zuständigen einzelstaatlichen Gerichten geltend machen können.

Trotz dieser Unterschiede bleibt es für Unternehmen erst einmal bei den Sorgfaltspflichten aus dem LkSG. Bis zur Geltung einheitlicher, europaweiter Regelungen wird noch einige Zeit vergehen. Denn bei der Richtlinie handelt es sich „nur“ um einen Vorschlag, dem sowohl das EU-Parlament als auch der Rat noch zustimmen müssen. Im Anschluss haben die Mitgliedstaaten dann noch zwei Jahre Zeit, um die Richtlinie in innerstaatliches Recht umzusetzen.

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