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Das neue „Lieferkettengesetz“ – woran ist aus der Sicht des Kartellrechts zu denken?

08. Februar 2022

Die Geschäftsführung eines Herstellers hat vom neuen Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG) gehört – auch „Lieferkettengesetz“ genannt –, das zum 1. Januar 2023 in Kraft tritt und neue Pflichten enthält. Gemeinsam mit der Einkaufsabteilung fragt sie sich, inwiefern das Kartellrecht Kooperationen mit anderen Marktteilnehmern bei der Umsetzung des LkSG erlaubt, z.B. im Rahmen eines Branchenverbands.

Was regelt das LkSG und wen nimmt es in die Pflicht?

Ziel des LkSG ist es, die Beachtung menschenrechtlicher und umweltbezogener Standards entlang der globalen Lieferkette sicherzustellen. Verhindert werden sollen z.B. Kinder- und Zwangsarbeit sowie Trinkwasserverschmutzung bei der Produktion. Zu diesem Zweck sollen große Kunden ihre Einkaufsmacht in die Waagschale werfen.

Und zwar sollen ab 2023 Unternehmen, die in Deutschland über einen Haupt- oder einen Zweitsitz verfügen und mehr als 3.000 Mitarbeiter beschäftigen, nicht nur angemessene Maßnahmen zur Vermeidung von Verstößen im eigenen Geschäftsbereich treffen, sondern auch bei ihren direkten und indirekten Lieferanten. Ab 2024 gilt dies zusätzlich für Unternehmen mit mehr als 1.000 Mitarbeitern.

Welche Fragen stellen sich für Unternehmen in der Praxis?

Die Pflichten der direkten und indirekten Lieferanten richten sich also nach den Anforderungen ihrer großen Kunden. Vor diesem Hintergrund müssen große Unternehmen eine Reihe praktischer Überlegungen für ihren Einkauf beachten, die je Produkt- und Geschäftsbereich sowie Risikoanalyse variieren können. Zu den relevanten Fragen zählen u.a.:

  • Welche Anforderungen an meine direkten sowie indirekten Lieferanten sind angemessen und noch verhältnismäßig – und an welchen Maßstäben orientieren wir uns bei der Risikoanalyse?
  • Wie adressiere ich meine Anforderungen – und wie lässt sich anschließend nachverfolgen, ob sich meine Lieferanten daran halten? Und wie dokumentiere ich meine Anstrengungen?
  • Welche konkreten Schritte lassen sich bei Anhaltspunkten auf Verstöße ergreifen – und wie können sich Betroffene bei mir melden?

Was hat das Kartellrecht mit dem LkSG zu tun?

Es fragen sich zahlreiche Unternehmen, ob und wie sie bei der Bewältigung der neuen Herausforderungen nach dem LkSG im Einkauf mit anderen Marktteilnehmern kooperieren dürfen.

Kooperationen zwischen Unternehmen sind am Kartellrecht zu messen, das Wettbewerbsbeschränkungen grundsätzlich untersagt. Kooperationen sind folgerichtig insbesondere  dann grundsätzlich zulässig, wenn dadurch der Wettbewerb nicht spürbar beschränkt wird.

Anerkannte Kooperationsformen, die bei Beachtung bestimmter Regeln in Betracht kommen, sind freiwillige Branchenstandards und Einkaufsgemeinschaften. Beide stellen im Kontext des LkSG je nach Einzelfall praktikable Lösungsansätze dar. Im Überblick:

Was ist bei der Bestimmung eines Branchenstandards zu beachten?

Das LkSG spricht Branchenlösungen als angemessene Maßnahme ausdrücklich an. Dahinter steht der Gedanke, dass Unternehmen miteinander kooperieren können, um sich auf gemeinsame Standards zu einigen. Dies wird im Regelfall nicht wettbewerbsbeschränkend sein, wenn eine Orientierung anhand folgender Grundregeln erfolgt:

  • Es gibt keinen Zwang zur Teilnahme an dem Standard und die Beteiligten bleiben immer frei, sich auch anderen Initiativen anzuschließen.
  • Es gibt eine angemessene Möglichkeit Interessierter zur Mitwirkung an der Bildung des Standards. Vorzugswürdig ist eine Anhörung von (ausgewählten) Lieferanten, da sie konkret betroffen sein werden.
  • Das Verfahren ist transparent ausgestaltet und der Standard zu nicht-diskriminierenden Bedingungen zugänglich.
  • Der Informationsaustausch ist auf das notwendige Maß beschränkt und es findet keine Abstimmung u.a. zu Verkaufspreisen, Kunden, Absatzmengen statt.

Inwiefern eignen sich Einkaufsgemeinschaften?

Unter Umständen kann die Gründung einer Einkaufsgemeinschaft ein probates Mittel sein, um die Pflichten nach dem LkSG angemessen und gemeinsam zu adressieren.

Im Rahmen einer Einkaufsgemeinschaft können die Mitglieder (schon jetzt) insbesondere gemeinsame Kriterien festlegen, anhand derer Lieferanten ausgewählt sowie überwacht werden – und welche Schritte bei Verstößen in Betracht kommen. Diese Aufgabe kann ein Verhandlungsführer zentral für alle Mitglieder übernehmen oder eine dafür gegründete Gesellschaft.

Wenn die Mitglieder auf den relevanten Einkaufs- und Verkaufsmärkten (gemeinsame) Marktanteile niedriger als 15% halten, sind Wettbewerbsbeschränkungen unwahrscheinlich und Einkaufsgemeinschaften in der Regel zulässig. Auch das Bundeskartellamt erkennt diesen Safe harbour an. Bei höheren Marktanteilen kommt es für die Zulässigkeit auf den Einzelfall an.

Im Verkauf müssen die Beteiligten aber immer autonom agieren (können), d.h. eine Koordinierung der Verkaufspreise, Kunden, Absatzmengen etc. ist verboten – auch ein diesbezüglicher Informationsaustausch.

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