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Änderungen der Bayerischen Bauordnung zum 1. Februar 2021

01. Februar 2021

Am 1. Februar 2021 tritt die Novelle der Bayerischen Bauordnung (Gesetz zur Vereinfachung baurechtlicher Regelungen und zur Beschleunigung sowie Förderung des Wohnungsbaus) in Kraft. Die neu gestaltete Ermächtigung zum Erlass von Satzungen zur Festlegung abweichender Tiefen der Abstandsflächen in Art. 81 Abs. 1 Nr. 6 BayBO, trat bereits am 15. Januar 2021 in Kraft.

Die wesentlichen Änderungen haben wir hier kurz zusammengefasst.

1. Änderung des Abstandsflächenrechts gem. Art. 6 BayBO

Wichtigster Punkt der Novelle ist die Änderung des Abstandsflächenrechts in Art. 6 BayBO.

Vereinfacht wird zunächst die Berechnung der für das Maß der Tiefe der Abstandsfläche maßgeblichen Wandhöhe in Art. 6 Abs. 4 BayBO. An der Traufseite von Gebäuden werden Dachflächen der Wandhöhe künftig voll angerechnet, die eine Neigung von über 70˚ haben. Dachflächen mit geringerer Neigung werden hingegen nur zu 1/3 angerechnet. Die bisherige Anrechnungsschwelle bei 45˚ entfällt. Nur in Gemeinden mit mehr als 250.000 Einwohnern werden Dächer ab einer Neigung von mehr als 45˚ mit 1/3 und ab Neigung von mehr als 70˚ voll angerechnet (Art. 6 Abs. 5a Satz 3 BayBO).

Die bisherige Regelung zur reduzierten Anrechnung der Giebelseite in Art. 6 Abs. 4 Satz 4 BayBO (a.F.) entfällt, so dass die Giebelseiten künftig mit voller Höhe angesetzt werden. Zum Teil kompensiert wird dies dadurch, dass die Abstandsflächen nunmehr die exakte Form der betreffenden Wand wiederspiegeln, also nicht mehr per se rechteckig sind.

Das Maß der Tiefe der Abstandsflächen wird nach Art. 6 Abs. 5 BayBO in Gemeinden mit weniger als 250.000 Einwohner künftig auf 0,4 H festgelegt. In Gewerbe- und Industriegebieten gelten 0,2 H. Die Mindesttiefe von 3 m bleibt jedoch bestehen. Das 16m-Privileg entfällt.

In Gemeinden mit mehr als 250.000 Einwohnern (namentlich Augsburg, München und Nürnberg) gilt außerhalb von Gewerbe-, Kern- und Industriegebieten sowie festgesetzten urbanen Gebieten weiterhin eine Abstandsfläche von 1,0 H, mindestens aber 3 m (Art. 6 Abs. 5a BayBO. Das 16m-Privileg gilt hier weiterhin.

Unverändert bleibt die Möglichkeit abweichender gemeindlicher Regelungen in Bebauungsplänen, städtebaulichen Satzungen oder Satzungen auf Grundlage von Art. 81 Abs. 1 Nr. 6 BayBO. Nach Art. 81 Abs. 1 Nr. 6 BayBO kann  Tiefe der Abstandsflächen auf bis zu 1,0 H, mindestens aber 3 m, erhöht werden und in Gemeinden mit mehr als 250.000 Einwohner auf bis zu 0,4 H, mindestens aber 3 m, verkürzt werden. Bestehende Satzungen nach Art. 81 Abs. 1 Nr. 6 BayBO und bestehende Festsetzungen in Bebauungsplänen behalten ihre Gültigkeit.

Für bestehende Gebäude, die das bisherige Abstandsflächenrecht einhalten, besteht Bestandsschutz. Bei Änderungen ist das neue Abstandsflächenrecht maßgeblich. Abstandsflächenübernahmen, die nach neuem Recht entbehrlich sind, werden gegenstandslos.

Zu den Maßnahmen, die nicht abstandsflächenrelevant sind, zählen künftig auch nachträgliche Maßnahmen zur Wärmedämmung (Art. 6 Abs. 6 Nr. 4 BayBO).

2. Erleichterte Abweichung von den Vorgaben zu Abstandsflächen

Art. 63 Abs. 1 BayBO gibt den Bauaufsichtsbehörden die Möglichkeit, im Rahmen einer Ermessensentscheidung von bauaufsichtlichen Anforderungen abzuweichen. Art. 63 Abs. 1 Satz 2 BayBO sieht nun ein intendiertes Ermessen vor, wenn ein rechtmäßig erbautes Werk abgerissen und durch ein neues Vorhaben zu Wohnzwecken ersetzt werden soll. Die Abweichung soll also im Regelfall gewährt werden. Voraussetzung ist allerdings, dass das neue Gebäude ein Bauwerk ersetzt, welches höchstens gleicher Abmessung und Gestalt ist. So wird sichergestellt, dass alte Gebäude, die rechtmäßig errichtet worden sind und die aktuell geltenden Abstandsflächen nicht einhalten, durch Neubauten ersetzt werden können, soweit dies im Übrigen zulässig ist.

3. Genehmigungsfiktion für Wohnbauvorhaben

Durch Art. 68 Abs. 2 BayBO i.V.m. Art. 42a BayVwVfG wird im vereinfachten Genehmigungsverfahren eine Genehmigungsfiktion eingeführt, allerdings beschränkt auf Vorhaben, welche überwiegend dem Wohnen dienen. Wird ein Bauantrag hierzu nicht innerhalb von drei Monaten bearbeitet, so gilt das Vorhaben mit Ablauf der Frist als genehmigt. Der Lauf der Frist beginnt bei vollständig eingereichten Bauanträgen drei Wochen nach Zugang des Bauantrages. Andernfalls beginnt die Frist drei Wochen nach Vorlage der nachgeforderten Unterlagen. Bei Eintritt der Fiktion ist diese dem Bauherrn und den Nachbarn, welche dem Vorhaben nicht zugestimmt haben, schriftlich zu bescheinigen. Erfasst sind Neubauten und Nutzungsänderungen, die der Schaffung von Wohnraum dienen.

Die Regelungen zur Genehmigungsfiktion gelten gem. Art. 83 Abs. 7 BayBO erst für Anträge, die drei Monate nach dem Inkrafttreten des Gesetzes eingereicht werden, also für Anträge ab dem 01.4.2021.

4. Nachbarbeteiligung vereinfacht

Die Nachbarbeteiligung in Art. 66 BayBO wird angepasst und der Prozess der Nachbarbeteiligung stärker in die Verantwortung des Bauherrn gegeben. Zwar ist die Nachbarbeteiligung weiterhin durchzuführen und die Zustimmung in schriftlicher Form einzuholen. Im Bauantrag ist künftig aber lediglich anzugeben, ob der Nachbar zugestimmt hat. Die Zustimmungserklärung selbst ist nicht mehr beizulegen, da sie ausschließlich dem Interesse des Nachbarn dient.

5. Digitalisierung des Bauantragsverfahrens

Die Änderung der BayBO legt die Grundlage für ein elektronisches Bauantragsverfahren. Zunächst wird es für die Fachstellen möglich, dem Vorhaben in Textform – und nicht, wie bislang, nur schriftlich – zuzustimmen. Dadurch soll eine Verlagerung hin zu digitaler Kommunikation erreicht werden. Auch Abstandsflächenübernahmen können künftig in elektronischer Form abgegeben werden (Art. 6 Abs. 2).

Außerdem ermöglich die Verordnungsermächtigung in Art. 80a BayBO (n.F.) die Einführung von Pilotprojekten. Die Staatsregierung wir hier ermächtigt, durch Rechtsverordnung räumlich bestimmte Abweichungen von den durch oder aufgrund dieses Gesetzes bestehenden Zuständigkeits-, Verfahrens- und Formvorschriften zu treffen. Dadurch soll es ermöglicht werden in ausgewählten Landratsämtern, den Bauantrag bereits digital einzureichen, um das Verfahren  zu testen.

6. Weitere Änderungen

Darüber hinaus sieht die Novelle die Änderungen in weiteren Bereichen vor:

  • Neuregelungen zum Spielplatznachweis, insbesondere Satzungsermächtigung für die Gemeinden zur Reglung von Größe und Ausstattung von Spielplätzen (Art. 7, 81 Abs. 1 Nr. 3 BayBO).
  • Brandverhalten von Baustoffen und Bauteilen (Art. 24 Abs. 2, 26 Abs. 5 BayBO)
  • Reduzierte Anforderungen an Rettungswege bei Geschossen ohne Aufenthaltsräume und ebenerdigen Geschossen bis 400 qm (Art. 31 Abs. 1 BayBO).
  • Ausnahme für die Pflicht zum nachträglichen Einbau eines Aufzugs bei Aufstockungen (Art. 37 Abs. 4 BayBO).
  • Bestandsschutz für bestehende Bauteile bei Umwandlung in Wohnraum (Art. 46 Abs. 5 BayBO)
  • Ergänzung verfahrensfreier Vorhaben (Antennen, Fahrradabstellanlagen und Ladestationen für Elektrofahrzeuge) (Art. 57 Abs. 1 BayBO).
  • Erweiterung des Anwendungsbereichs des Genehmigungsfreistellungsverfahrens bei Änderungen und Nutzungsänderungen an Dachgeschossen im Geltungsbereich des § 34 BauGB (Art. 58 Abs. 2 BayBO).
  • Einführung einer Typengenehmigung für serielles Bauen (Art. 73a BayBO).

Bei Fragen zur BayBO-Novelle und etwaigen Auswirkungen auf Ihr Vorhaben stehen Ihnen die Mitglieder der Praxisgruppe Öffentliches Recht gerne zur Verfügung.

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