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Die HOAI auf dem europarechtlichen Prüfstand – mündliche Verhandlung vor dem EuGH in Luxemburg

08. November 2018

Am 07. November 2018 fand die mündliche Verhandlung im Vertragsverletzungsverfahren C-377/17 der Europäischen Kommission gegen Deutschland vor dem Europäischen Gerichtshof in Luxemburg statt. Dabei ging es um die Frage, ob das verbindliche Preisrecht der deutschen Honorarordnung für Architekten und Ingenieure (HOAI) mit vorrangigem EU-Recht, insbesondere der europäischen Niederlassungs- und Dienstleistungsfreiheit, vereinbar ist. Kapellmann hat die Verhandlung durch Prof. Dr. Heiko Fuchs (Bau- und Architektenrecht) sowie Prof. Dr. Robin van der Hout (Europarecht) beobachten lassen.

Die Kommission führte ihre bekannte Position aus: die HOAI beinhalte eine unzulässige Beschränkung u.a. im Sinne von Art. 15 der europäischen Dienstleistungsrichtlinie. Dass das Preisrecht eine Beschränkung sei, könne angesichts der gesetzlichen Vermutung dafür nicht bestritten werden, so dass es allein darauf ankomme, ob diese Beschränkung ausnahmsweise gerechtfertigt werden könne. Hierzu bedürfe es nicht nur „zwingender Gründe des Allgemeinwohls“. Vielmehr müsse die konkrete Ausgestaltung der Beschränkung, hier des Preisrechts, auch verhältnismäßig sein. Dazu gehöre, dass es kein milderes Mittel gebe, welches die verfolgten Ziele, wie z.B. die Qualitätssicherung, gleichermaßen gewährleisten könne. Dies sei bei der HOAI offensichtlich nicht der Fall. Beispielsweise wäre es möglich, so wie früher bereits einmal in Deutschland erlaubt, vertragliche Abreden zuzulassen, das Preisrecht abzubedingen. Die Kommission verwies auch auf die Vorgaben des EuGH aus seinem Cipolla-Urteil (Rs. C-94/04 und Rs. C-202/04) zu den italienischen Rechtsanwaltsgebühren, welche im konkreten Fall durch Deutschland nicht erfüllt würden.

Die Kommission verwies ferner darauf, dass außer Deutschland heute kein anderer EU-Mitgliedstaat mehr ein vergleichbares verbindliches Preisrecht kenne und das Preisniveau vergleichsweise hoch sei, was für einen eingeschränkten Wettbewerb spreche. Insbesondere sei es für neue Marktteilnehmer aus anderen Mitgliedstaaten nicht möglich über einen Preiswettbewerb in den insofern abgeschotteten deutschen Markt zu kommen.

Die Bundesregierung hielt dagegen: Die Kommission sei beweisbelastet und habe der umfangreichen Beweisführung Deutschlands zur fehlenden Beschränkung und hilfsweise zur Verhältnismäßigkeit der HOAI nichts Adäquates entgegengesetzt. Insbesondere habe die Bundesregierung auch durch Stellungnahmen nationaler und europäischer Berufsverbände gezeigt, dass der deutsche Markt nicht abgeschottet sei. Im Gegenteil: die hohe Zahl an Berufsträgern in Deutschland zeige den effektiven Wettbewerb und die Attraktivität des Systems auch für andere Mitgliedstaaten. Das Preisrecht der HOAI sei mit seinen Mindest- und Höchstsätzen hinreichend flexibel und stelle, wie durch ein wissenschaftliches Gutachten nachgewiesen, ein geeignetes präventives Mittel dar, u.a. um die hohe Qualität von Planungsleistungen zu sichern und Haftungsprozessen vorzubeugen. Außerdem sei durch die Kommission anzuerkennen, dass die Mitgliedstaaten ein Ermessen und damit einen Einschätzungsspielraum hätten.

Diese deutsche Position wurde durch Ungarn als Streithelfer unterstützt. Insbesondere würden es die Preisspannen der HOAI erlauben, flexible Lösungen zu suchen und etwaige Informationssymmetrien abzubauen. Ungarn erwäge, je nach Ausgang des Verfahrens, selbst verbindliches Preisrecht für Planungsleistungen einzuführen.

Im Anschluss an die Plädoyers der Verfahrensbeteiligten stellten der berichterstattende Richter sowie der Generalanwalt Nachfragen sowohl an die Kommission als auch an die Bundesregierung. Dabei wurde deutlich, dass der Fall voraussichtlich auf der Ebene der Rechtfertigung entschieden und der Gerichtshof dabei insbesondere analysieren wird, inwiefern der Marktzugang unverhältnismäßig erschwert werde.

Als nächstes hat nun der Generalanwalt die Erstattung seiner Schlussanträge für den 30. Januar 2019 angekündigt, wobei dieser Termin auch noch einmal verschoben werden kann. Bei den Schlussanträgen handelt es sich um einen für den Gerichtshof unverbindlichen Entscheidungsvorschlag, wobei jedoch in der Praxis die Richter häufig dem Generalanwalt ganz oder teilweise folgen. Im Anschluss ist dann mit einem Urteil voraussichtlich in der zweiten Jahreshälfte 2019 zu rechnen. Der Ausgang des Verfahrens ist weiterhin offen, wobei die von der Kommission mündlich vorgetragene Rechtsauffassung durchaus Gewicht hat. Wird ein Vertragsverstoß festgestellt, müsste Deutschland diesen alsbald abstellen und das Urteil umsetzen, entweder durch Aufhebung oder Modifizierung der verbindlichen Preisregelungen der HOAI. Eine Rechtsmittelmöglichkeit besteht nicht.

Bei Rückfragen stehen Ihnen Prof. Dr. Heiko Fuchs (Mönchengladbach) und Prof. Dr. Robin van der Hout (Brüssel) gerne zur Verfügung.

Foto:
Gerichtshof der Europäischen Union (https://curia.europa.eu/jcms/jcms/Jo2_7055/de/)

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Jennifer Wagener
Jennifer Wagener

Head of Marketing, Business Development & Communications

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