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Muss ein Unternehmen jeden Kunden annehmen – und alle Kunden gleich behandeln?

02. September 2020

Manche Irrtümer halten sich hartnäckig, so auch der Satz „Kartellrecht verlangt, dass wir jeden beliefern, der das möchte“.

Richtig ist: Unternehmen können grundsätzlich frei entscheiden, mit wem sie Geschäfte machen, und mit wem nicht. Insbesondere können sie frei entscheiden, ob sie:

  • einen neuen Kunden annehmen,
  • einem Kunden all das liefern, was er gerne haben möchte und
  • einen bestehenden Kunden weiter beliefern oder die Geschäftsbeziehung mit ihm beenden.

Dies folgt aus dem Grundsatz der Vertragsfreiheit.

Wann bestehen ausnahmsweise Belieferungspflichten?

Ebenso klar ist: Was Unternehmen Geschäftspartnern verbindlich zugesagt haben, müssen sie grundsätzlich halten. Wenn ein Unternehmen einem Kunden beispielsweise versprochen hat, ein Jahr lang seine Bestellungen zu bestimmten Konditionen zu erfüllen, muss es diesen Kunden auch beliefern.

Für bestimmte Branchen gibt es Sonderregeln, z.B. für öffentliche Versorger und Infrastruktur. Daraus können sich ebenfalls Lieferpflichten ergeben.

Wozu verpflichtet das Kartellrecht?

Unternehmen glauben oft, das Kartellrecht verpflichte sie, jeden Kunden zu beliefern und alle Kunden gleich zu behandeln. Das ist aber nur in Ausnahmefällen so:

Unternehmen, die über besondere Marktmacht verfügen, müssen sich im Wettbewerb besonders fair verhalten. Solche besondere Marktmacht kann sich aus einer marktbeherrschenden Stellung ergeben, die im deutschen Recht ab 40 % Marktanteil vermutet wird. Aber auch aus der Abhängigkeit anderer Unternehmen von einem Lieferanten kann sich besondere Marktmacht ergeben. (Hier die Vorschriften des deutschen und des EU-Kartellrechts).

Wenn ein Unternehmen – ausnahmsweise – solche besondere Marktmacht hat, kann es verpflichtet sein, mit einem anderen Unternehmen (weiterhin) Geschäfte zu machen. Das setzt aber voraus, dass weitere Umstände vorliegen, z.B. dass das andere Unternehmen keine alternativen Bezugsquellen hat und es auch keinen sachlichen Grund gibt, dieses Unternehmen nicht zu beliefern. Häufig besteht die Belieferungspflicht auch nur für einen Übergangszeitraum, der es dem abhängigen Unternehmen ermöglicht, alternative Bezugsquellen zu suchen.

Ob eine Belieferungspflicht besteht und was genau sie bedeutet, ist von Fall zu Fall unterschiedlich. Allgemein kann man aber sagen, dass solche Pflichten die Ausnahme sind und – wenn sie denn bestehen – häufig nicht bedeuten, dass das verpflichtete Unternehmen jeden Kunden mit allen Produkten unbefristet beliefern muss.

Das Kartellrecht sagt noch etwas anderes: Ein Lieferant darf die Belieferung eines Handelskunden nicht einschränken oder abbrechen, um ihn für zu niedrige Verkaufspreise zu „bestrafen“ oder seine Vertriebspolitik auf unzulässige Weise zu „steuern“. Der Lieferant hat aber die Freiheit, die Belieferung aus anderen Gründen zu reduzieren oder einzustellen.

Was bedeutet das für Unternehmen, die beliefert werden möchten?

(Potentielle) Kunden sollten wissen, dass ihr Lieferant grundsätzlich nicht verpflichtet ist, mit ihnen Geschäfte zu machen. Wenn sie von ihm beliefert werden möchten, ist das eine kaufmännische Frage, die in erster Linie kaufmännisch gelöst werden sollte.

Im Einzelfall kann ein Lieferant aber durchaus Lieferpflichten haben. Das sollte dann kartell- und vertragsrechtlich geprüft werden.

Was bedeutet das für Lieferanten?

Die gute Nachricht ist, dass Lieferanten grundsätzlich frei entscheiden können, wen sie womit und zu welchen Konditionen beliefern. Sie sind auch nicht verpflichtet, alle Interessenten und Kunden gleich zu behandeln.

Diese Freiheiten können im Einzelfall eingeschränkt sein. Insbesondere wenn ein Kunde behauptet, rechtliche Belieferungsansprüche zu haben, sollte der Lieferant prüfen, welche Rechtspflichten er wirklich hat.

Aussagen wie „An uns kommt man nicht vorbei“ oder „Wir beherrschen den Markt“ laden (potentielle) Kunden dazu ein, kartellrechtliche Belieferungsansprüche geltend zu machen. Häufig stimmen sie in der Sache auch gar nicht. Auf solche markigen Behauptungen sollten Unternehmen eher verzichten.
 

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