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Von der Notlösung zum Normalfall – welche Compliance-Risiken birgt das Home-Office?

27. Juli 2020

Noch nie haben in Europa so viele Menschen von zuhause gearbeitet. Und es sieht so aus, dass das teilweise so bleiben wird – zum Schutz der Mitarbeiter und auch, weil es sich als praktikable Alternative bewährt hat. Siemens gestattet das jetzt rund der Hälfte der Belegschaft.

Auf die Compliance wirkt sich das doppelt aus:

  • Arbeiten im Home-Office birgt neue Risiken (dazu in diesem Beitrag) und
  • schränkt die Handlungsmöglichkeiten des Compliance Teams ein (dazu demnächst).

Welche neuen Risiken birgt das Home-Office?

Manchen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern ist nicht klar, welche der bisherigen Regeln im Home-Office noch gelten und wo man von ihnen abweichen kann (und manchmal sogar muss). Dann werden z.B. Arbeitsmittel für das Home-Office mit der Firmenkreditkarte bei Amazon bestellt. Normalerweise liefe die Beschaffung über den Einkauf nach klar definierten Prozessen. Wenn Besprechungen nicht mehr physisch stattfinden, sondern als Videokonferenz, können Mitarbeiter versucht sein, sie mitzuschneiden oder Screenshots zu machen. Mit dem Smartphone geht das ganz einfach.

Auch Regeln für die Wahrung der Vertraulichkeit sind im Home-Office schwieriger einzuhalten. Die Telefonkonferenz bei offenem Fenster oder „muted“ bei der Familie im Wohnbereich sind Beispiele dafür. Es kann auch praktisch sein, berufliche Daten auf privaten Geräten zu speichern („Der Drucker funktioniert nur mit meinem privaten PC, zum Drucken habe ich die Daten mal schnell rübergezogen“).

Verstärker für Compliance-Risiken

Hinzu kommt, dass sich derzeit manche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter Sorgen um ihre Zukunft machen. Das gilt vor allem in Krisenbranchen. Das kann zu unethischem Verhalten verleiten. Ein Vertriebsmitarbeiter kann sich versucht fühlen, wichtige Kunden (und seinen eigenen Job) durch korruptives Verhalten zu „sichern“. Eine Mitarbeiterin, die überlegt zu einem besser aufgestellten Konkurrenten zu wechseln, stellt ihrer Ansprechpartnerin dort vertrauliche Informationen zur Verfügung, um sich den Weg zum neuen Arbeitgeber zu ebenen.

Zusätzlich begünstigt die geringere soziale Kontrolle rechtswidriges Verhalten. Die Teambesprechung, in der man Zweifelsfälle thematisieren und sich mit den Werten des Unternehmens rückkoppeln kann, findet nicht mehr regelmäßig statt. Oder digital, was auch funktioniert, aber die Menschen weniger eng verbindet und vertrauliche Gespräche am Rande erschwert.

Was sollten Compliance Officer jetzt tun?

  • Falls nicht schon erfolgt, sollten Compliance Officer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter darauf hinweisen, dass die Compliance-Regeln weiterhin gelten (z.B. das 4-Augen-Prinzip) und dass sie in Zweifelsfällen wie bisher das Compliance-Team ansprechen können – und sollen.
  • Compliance-Officer sollten die in ihrem Unternehmen geltenden Regeln daraufhin prüfen, ob sie im Home-Office praktikabel sind. Wo nötig, sollten Regeln präzisiert werden (z. B. 4-Augen-Prinzip auch per E-Mail möglich, aber nicht nur per Telefon oder WhatsApp).
  • Zusätzlich kann es sinnvoll sein, neue Regeln an die Hand zu geben bzw. bestehende zu ergänzen. Das gilt insbesondere für den Umgang mit vertraulichen Informationen – Schutz von Geschäftsgeheimnissen des Unternehmens und seiner Geschäftspartner (welche Verpflichtungen hat das Unternehmen gegenüber Dritten übernommen?), Datenschutz, ggf. Insiderregeln.

Wir sehen im Moment, dass proaktive Kommunikation des Compliance-Teams mit den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern entscheidend ist. Die traditionelle Kommunikation ist zwar erschwert, Compliance-Officer können aber Mittel wie Videokonferenzen nutzen, um Mitarbeiter zu erreichen. Sie bieten eine gute Gelegenheit, den Kontakt (wieder) aufzunehmen. Und vielleicht ergibt sich danach ja in einem Telefongespräch „unter vier Ohren“ ein Austausch, wie er sonst am Kaffeeautomaten stattfindet.
 

#compliance_kapellmann

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