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Teilabnahmen vor dem Hintergrund der befristeten Absenkung des Umsatzsteuersatzes zum 01.07.2020

23. Juni 2020

Durch das sog. Zweite Corona-Steuerhilfegesetz werden vom 01.07.2020 bis 31.12.2020 der allgemeine Umsatzsteuersatz von 19 % auf 16 % sowie der ermäßigte Umsatzsteuersatz von 7 % auf 5 % gesenkt.

Die neuen Umsatzsteuersätze von 16 % und 5 % sind auf Leistungen anzuwenden, die zwischen dem 01.07.2020 und 31.12.2020 bewirkt werden. Maßgebend für die Anwendung dieser Umsatzsteuersätze ist stets der Zeitpunkt, in dem der jeweilige Umsatz ausgeführt wird. Auf den Zeitpunkt der vertraglichen Vereinbarung kommt es ebenso wenig an wie auf den Zeitpunkt der Entgeltvereinnahmung oder der Rechnungserteilung. Entsprechendes gilt für sog. Teilleistungen.

Bei Bauleistungen und Planungsleistungen ist dies grundsätzlich der Zeitpunkt der Vollendung/Fertigstellung des Werks. Liegt dieser Zeitpunkt nach dem 31.12.2020, unterliegt die gesamte Leistung grundsätzlich (wieder) dem erhöhten Umsatzsatzsteuersatz von 19 %, unabhängig davon, ob in der Zwischenzeit Abschlagsrechnungen zu 16 % Umsatzsteuer ausgestellt wurden.

Vor diesem Hintergrund stellt sich insbesondere für nicht zum Vorsteuerabzug berechtigte Auftraggeber die Frage, ob er in laufenden Projekten Teilabnahmen in der Zeit vom 01.07.2020 bis 31.12.2020 durchführen soll, um für die teilabgenommenen Leistungen den Umsatzsteuersatz von 16 % zu konservieren. Umsatzsteuerrechtlich spricht man in diesem Zusammenhang von sog. Teilleistungen.

Das Bundesfinanzministerium hat im Entwurf eines begleitenden BMF-Schreibens zur befristeten Absenkung des Umsatzsteuersatzes vom 12.06.2020 Hinweise dazu gegeben, unter welchen Voraussetzungen die Finanzverwaltung solche Teilleistungen bei Werkleistungen anerkennt. Ergänzende Hinweise finden sich im Merkblatt zur Umsatzbesteuerung in der Bauwirtschaft vom 12.10.2009.

1. Bauleistungen

Teilleistungen sind wirtschaftlich abgrenzbare Teile einheitlicher Leistungen, für die das Entgelt gesondert vereinbart wird und die demnach statt der einheitlichen Gesamtleistung geschuldet werden. Wann im Zuge eines Bauprojekts solche Teilleistungen vorliegen, ist eine Frage des Einzelfalls. In verschiedenen Verwaltungsanweisungen gibt die Finanzverwaltung meist gewerkeweise Abgrenzungskriterien vor, die in den meisten Fällen eine Beurteilung zulassen, ob die Finanzverwaltung bestimmte Leistungsteile als Teilleistung im Sinne des Umsatzsteuerrechts anerkennt oder nicht.

Vor dem 01.01.2021 erbrachte Teilleistungen werden mit der Folge eines Umsatzsteuersatzes von 16 % anerkannt, wenn folgende Voraussetzungen erfüllt sind:

a) Es muss sich um einen wirtschaftlich abgrenzbaren Teil einer Werkleistung/Bauleistung handeln (s.o.).

b) Der Leistungsteil muss, wenn er Teil einer Werklieferung ist, vor dem 01.01.2021 abgenommen worden sein, ist er Teil einer Werkleistung, muss er vor dem 01.01.2021 vollendet oder beendet worden sein.

c) Vor dem 01.01.2021 muss vereinbart worden sein, dass für Teile einer Werklieferung oder Werkleistung entsprechende Teilentgelte zu zahlen sind. Sind für Teile einer Werklieferung oder Werkleistung zunächst keine Teilentgelte gesondert vereinbart worden, muss die vertragliche Vereinbarung vor dem 01.01.2021 entsprechend geändert werden. Verträge, die derartige Regelungen aktuell noch nicht enthalten, sind also entsprechend anzupassen.

d) Das Teilentgelt muss gesondert abgerechnet werden.

Um Teilleistungen anzunehmen, müssen die vertraglichen Vereinbarungen tatsächlich durchgeführt werden, d.h. die Abnahme muss, wenn sie schriftlich vereinbart war, auch gesondert schriftlich vorgenommen werden. Darüber hinaus sind die Rechtsfolgen der Abnahme zu beachten (vgl. z.B. Beginn der Gewährleistungsfristen nach § 13 VOB/B). Eine nur aus steuerlichen Gründen vorgenommene Abnahme des Teils eines Gesamtbauwerks wird nicht als Teilleistung anerkannt. Davon geht die Finanzverwaltung aus, wenn die Folgen der Abnahme (Fälligkeit der Vergütung, Umkehr der Beweislast des Auftragnehmers für die Mängelfreiheit des Werks in die Beweislast des Auftraggebers für die Mangelhaftigkeit des Werks, Übergang der Gefahr des Untergangs der Teilleistung auf den Auftraggeber/Besteller des Werks) ganz oder teilweise tatsächlich ausgeschlossen werden. Das bloße Hinausschieben des Beginns der Verjährungsfrist für Mängelansprüche auf die Abnahme des Gesamtwerks zählt dagegen nicht dazu.

2. Planungsleistungen

Für Planungsleistungen gelten die Grundsätze für Bauleistungen entsprechend.

Auch hier stellt sich die Frage, wann Teilleistungen als wirtschaftlich abgrenzbare Teile einheitlicher Planungsleistungen anzunehmen sind. Die Leistungsbilder dürfen nicht künstlich „entzerrt“ werden. Die Architektenkammern haben hierzu im Zuge der letzten Umsatzsteuererhöhung von 16 % auf 19 % zum 01.01.2007 überwiegend eine Unterteilung mit Teilabnahmen der Leistungsphasen 1 – 4, Leistungsphasen 5 – 8 und der Leistungsphase 9 vorgeschlagen. Auch wir sehen hierein eine sinnvolle Unterteilung, die Teilleistungen im umsatzsteuerrechtlichen Sinne begründet.

3. Abwägungen

Auf dem skizzierten Weg kann insbesondere der nicht zum Vorsteuerabzug berechtigte Auftraggeber erreichen, dass er auch zu Bau- und Planerverträgen, deren Gesamtleistungen erst im Jahr 2021 oder später fertig gestellt werden, Teilleistungen zu 16 % Umsatzsteuer erhält.

Sollten die Verträge – wie im Regelfall – keine Bestimmungen zu Teilabnahmen von Teilleistungen enthalten, müssen diese vor Durchführung der Teilabnahmen angepasst werden. Dies setzt natürlich voraus, dass der Auftragnehmer hierzu bereit ist.

Mit den Teilabnahmen treten dann aber auch zu Lasten des Auftraggebers die entsprechenden werkvertraglichen Konsequenzen wie Übergang der Gefahr, Umkehr der Beweislast zur Mängelfreiheit etc. ein. Diese Konsequenzen können auch nicht einfach vertraglich anders geregelt werden, weil dann die Gefahr besteht, dass die Finanzverwaltung Teilleistungen nicht anerkennt und insgesamt wieder der Umsatzsteuersatz von 19 % greift. Lediglich beim Beginn der Gewährleistung macht die Finanzverwaltung hiervon eine Ausnahme.

Der nicht zum Vorsteuerabzug berechtigte Auftraggeber muss also abwägen, ob er diese Konsequenzen angesichts des niedrigeren Umsatzsteuersatzes in Kauf nimmt.

Bei Rückfragen stehen Ihnen unsere Ansprechpartner für Bau- und Architektenrecht gerne zur Verfügung.

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Ansprechpartnerin für Medienanfragen

Jennifer Wagener
Jennifer Wagener

Leitung Marketing, Business Development & Kommunikation

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